Scheskat, Aggression als Ressource

Thomas Scheskat, Aggression als Ressource, Eine verkannte Kraft neu erleben, Psychosozial-Verlag Gießen, 2020

Der Autor ist Mitbegründer des Männerbüros Göttingen und des Göttinger Instituts für Männerbildung & Geschlechterbegegnung und arbeitet mit körperorientierten Verfahren in Männer- und gemischtgeschlechtlichen Gruppen. Der Untertitel gibt schon recht gut die Intension des Buches an. Es geht um eine Einordnung der von vielen als zerstörerische Kraft erlebte Aggression, die aber auch eine Ressource darstellt. Dazu werden unterschiedliche Körperarbeit – Aggression Übungsfelder vorgestellt.
Es geht um Integration sowohl der positiven Kraft wie des destruktiven Potentials von Aggression. Dabei wird in diesem Buch unter Aggression eine übergeordnete Begrifflichkeit für zielgerichtetes Verhalten, als Sammelbegriff für die dahinterliegenden Absichten sowie für das Kontinuum zwischen Konstruktivität und Destruktivität verstanden.
Zunächst werden in dem Buch die Grundzüge der Körperarbeit vermittelt. Zwischen sozial konstruktiv und vergiftet (d.h. es besteht kein gemeinsamer Wertekontext und daher reißt der Dialog ab). handelt die Arbeit von Vertrauen, damit gemeinsamen Werten zu dienen und von Aufrichtigkeit und dem Mut, sich Anderen mit der eigenen Wahrheit zuzumuten.
Begegnungen und Konflikte sollen auf Augenhöhe gelöst werden. Das gelingt nicht, wenn zu viel Negatives in sich reingefressen, unterdrückt oder verdrängt wurde. Aggressive Stimmungen und Handlungen sind oft äußerliche Aspekte von komplexen Ich-Zuständen.

Weiterhin geht es in dem Buch um Übungswege, mit dem es möglich ist, sein „Aggressions – Ich“ kennen zu lernen und verantwortlich nutzen zu können. Um das in Übungen darstellen zu können, wurden entsprechende Settings entwickelt. Der Ansatz richtet sich an diejenigen, die an einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit ihrem Aggressionspotential interessiert sind. Es geht nicht um legitime/Illegitime Gewalt oder Selbstermächtigung von Gewalt. Für Menschen mit mangelnder Impulskontrolle sind die Übungen eine Möglichkeit, mehr Empathie für ihr Gegenüber zu finden.

Hauptübungsfelder der Körperarbeit mit Aggression wie Stehen, Boxen, Schlagen und Ringen. Rahmen und Grenzen der Übungen sowie der technische Ablauf und die Ziele werden -auch in Bildern- dargestellt. Besonders anschaulich fand ich die Übungs-/ Anwendungsbeispiele aus einem Wochenendseminar für Männer sowie Abschnitte zur Bedeutung der Gruppe, zu den Wirkungen und zur Relevanz der Übungen.

Durch die Übungen wird nicht automatisch eine Wandlung von destruktiven Einstellungen bewirkt. Vielmehr sollen die Übenden zu ihrer eigenen Interpretation des Erlebens finden und es dadurch neu bewerten können. Es schließen sich Thesen bzw. Grundpositionen des Autors an:
Aggression ist die Grundkraft, die uns als Lebewesen vorwärtsstreben (Kraft, die Körper energetisch wirkt) lässt. Veränderung aggressiver Haltungen kann nur in Begegnungen erfolgen. Aggression ist nicht nur Gut oder Böse. Das Entfesseln von destruktiver Aggression ist vorstellbar. Niederlagen können, indem man die Angst vor der eigenen Kraft verliert, positive Effekte haben.

Grundlegendes zum theoretischen Hintergrund von Aggression (Wilhelm Reich sowie Fritz Perls) sowie Verweise auf Untersuchungen ergänzen die Ausführungen.

Diese Kraft soll in der körperorientierten Dialogarbeit zugänglich und körperlich greifbar gemacht werden. Ziel ist es, nicht nur die „schlechte“ Aggression in mir zu unterdrücken, sondern zu erkennen, dass es meine Aktions- und Reaktionsimpulse sind, die in einem „gebahnten Fluss“ gelenkt werden müssen. Dazu muss man zunächst seine eigenen aggressiven Impulse kennen lernen. Und dann zu entscheiden, wie wir sie einsetzen wollen. Menschen setzen sich eher mit ihren Emotionen auseinander, wenn sie die als Reichtum in ihrem Inneren verstehen.

Körperarbeit dient Männern dazu, einen attraktiven (kraftbestätigenden) Zugang zu einer Körpererfahrung zu bieten. So ist es möglich, Männern die Vorstellung einer männlichen Ganzheitlichkeit zu vermitteln. Arbeit an der Aggressionskompetenz (Dialogfähigkeit, Konfliktbereitschaft) können dann Energien nach außen auf beispielsweise gesellschaftliches Engagement lenken.

Das Buch liefert einerseits Denkmodell mit einem veränderten Umgang und Zugang zur Aggression. Daneben stellt es mit vielen Abbildungen dialogisch- körperbasierte Übungen vor und zeigt Praxisfelder auf.
Ein Buch für Männerarbeiter, die sich über diesen Zugang informieren wollen, aber auch für diejenigen, die nach neuen Anregungen/ Methoden für die eigene Arbeit mit Männern suchen.

Jürgen Döllmann

 

Stichworte: Praxisbuch, Lebenshilfe, Männerarbeit

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