Holtermann, Hahne, Männlichkeit (ver) lernen

Daniel Holtermann, Alexander Hahne, Männlichkeit (ver) lernen, Anleitung zur Selbstverantwortung, UNRAST Verlag, Münster 2024

Der Unterschied zwischen der Vielfalt von Männern und den Konsequenzen ihres Verhaltens ist eng verbunden mit der Art und Weise, wie Männlichkeit gelebt wird. Das Buch versucht eine Antwort auf die Fragen nach einer liebevolleren, friedvolleren und vielfältigeren Männlichkeit und damit nach einer Entwicklung von Männlichkeit zu geben. Männlichkeit bündelt Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen. Nicht jeder Mann lebt diese Verhaltensweisen, aber viele erkennen sie an und richten sich nach diesen. Wir lernen also bereits früh, was sich für Männer gehört oder auch nicht gehört. Das geschieht durch Medien, Erziehungsberechtigte und durch Reaktionen von Menschen auf unser Verhalten. Kinder und Jugendliche schauen sich die Muster von Erwachsenen ab und üben diese mit ihren Freunden ein. Bei Männlichkeit geht es oft darum, inwieweit geschlechtliche Verhaltensmuster erfüllt werden oder eben nicht. Dabei ist Männlichkeit als Zusammenspiel von Werten, Einstellungen und Verhaltensweisen nicht an das körperliche Geschlecht gebunden, sondern kann beispielsweise auch von non binären Menschen gelebt werden. Es braucht daher konkrete Wege, die zur Veränderung führen. Dadurch können wir als Männer Selbstverantwortung für unsere Haltungen und Handlungen zu übernehmen. Es braucht nicht ein Bild von einer neuen Männlichkeit, sondern viele Bilder von Männlichkeiten, die in sich auch widersprüchlich sein können. Männlichkeit und Männlichkeiten stehen in dem Buch für einengende hegemoniale Männlichkeit, Männlichkeit (en) beschreibt ein Leben von Männlichkeit (en), dass die individuelle Vielfalt nicht einschränkt. Der Prozesscharakter der Auseinandersetzung mit Männlichkeit wird so deutlich.

Ein Veränderungsansatz sieht das Buch zunächst in der Stärkung von Sensibilität durch Zuhören und das Beachten von Grenzen. Danach kann die Normalisierung von vielfältigen Männlichkeit (en) und das Leben von gleichberechtigten Beziehungen folgen und danach der Abbau von hegemonialen Männlichkeitsmustern im Sinne von Hinterfragen von Dominanz, Gewalt und Diskriminierung.

Die männlich geprägte Gesellschaftsstruktur wie die männlichen Privilegien verhindern oftmals, dass Männer sich kritisch mit ihrer Gewaltausübung auseinandersetzen.
Für eine Veränderung von Geschlechterrollen ist das Wirken im Umfeld wichtig. Männlichkeit wird immer wieder in Situationen neu geschaffen, durch uns selbst, durch andere Menschen und das Miteinander. Doch diese Prägung lässt sich aufheben. Geschlechternormierung funktioniert nur, wenn sie allgemein akzeptiert wird und sich viele Menschen an deren permanenter Herstellung beteiligen. Ein wichtiger Bestandteil des Verlernens von Männlichkeit besteht darin, die Privilegien anzuerkennen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und sie zu nutzen, um andere, nicht privilegierte Menschen zu unterstützen und so die Ungleichheiten aufzulösen. Praktische Interventionen dazu werden in dem Buch beistehende Interventionen, Antworten auf sexistische und queerfeindliche Kommentare, Auftreten in Männergruppen und Raumeinnahme genannt.

Was braucht es konkret für die Veränderung von Männlichkeit und welche Reflexionsmöglichkeiten gibt es? Wichtig ist die Selbstverantwortlichkeit für das eigenen Handeln. Dazu bietet das Buch praktische Selbsterfahrungsübungen (Reflexionsfragen zur eigenen Biografie, Alltagsbeobachtungen Privilegien Reflexion) und Selbstwahrnehmungsübungen (bsp. Körperwahrnehmung, Emotionswahrnehmung, Gedankenexperimente, Hinweise zur Vertiefung) an. Jede Person kann im Rahmen der eigenen Möglichkeiten versuchen, Männlichkeit nicht mehr zu leben bzw. Männlichkeit (en) zu leben. Für Veränderungen braucht es dabei einen regelmäßigen Lern- und Reflexionsraum für die individuelle Auseinandersetzung.

Eine spannende Auseinandersetzung für die Reflexion und Veränderung des eigenen Verhaltens und zur Diskussion in Gruppen geeignet.

Jürgen Döllmann

Stichworte: Männlichkeit, Männer heute, Lebenshilfe

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