Potts / Kühnemund (Hrsg.), Mann wird man.

Lydia Potts / Jan Kühnemund (Hg.), Mann wird man. Geschlechtliche Identitäten im Spannungsfeld von Migration und Islam. Transcript Verlag, Bielefeld 2008. ISBN 978-3-89942-992-3. 232 Seiten, € 24,80.

 

„Schau genauer hin. Wir sind anders.“ Das kann als die Grundintention einer differenzierenden Soziologie verstanden werden, die sich an sozialer Gleichwertigkeit und Gerechtigkeit orientiert. Und dies ist die handlungspraktische Klammer der in diesem Band versammelten unterschiedlichen Ansätze und Zugänge zum Thema Migration und Männlichkeit. Immer wieder neue Differenzierungen zu Männlichkeiten, Kultur, Ethnie, Gender, Geschlecht, sozialem Status, Generationenfolge oder Entwicklung von Geschlechterbildern über die Einwanderergenerationen hinweg treten hervor. Bei aller Unterschiedlichkeit der Theorieansätze eint dabei das Bemühen, kulturalistische Zuschreibungen einer einheitlichen Männlichkeit wie etwa „der türkisch-muslimische Mann“ zurückzuweisen. Solche stereotypen Vereinheitlichungen werden eher als Konstruktionen zur Abgrenzung der Mehrheitsgesellschaft gegen marginalisierte Männer gesehen und gewertet.

Leser und Leserinnen erhalten Einblicke in die Gefühlswelten muslimisch-türkischer Homosexueller, migrantischer Hauptschüler oder gewaltakzeptierender Männer. Begriffe wie Metrosexueller, Bastard-Männlichkeit, intersektionelle Analyse oder marginalisierte Männlichkeiten gewinnen Kontur und werden verständlich. Viele der Beiträge machen deutlich, dass es nicht das einfache Merkmal „Migrant“, sondern meist damit verknüpfte andere Momente sind, welche Erklärungen für Verhalten und damit Handlungsansätze liefern. Dazu gehören Schulbildung, ein permissiver Erziehungsstil gepaart mit elterlicher Gewalt, Verlagerungen von Anerkennungsmustern und Werten über die Generationen hinweg. Praktisch bedeutsam ist dies dann im Umgang mit Gewalt bzw. in der Konzeptentwicklung zu Gewaltausübung, aber auch zu Bildungsaufstieg, Elternarbeit, Jugendkultur und -arbeit. Interessant sind die unterschiedlichen Einschätzungen von Religion und ihrer Symbolsysteme für eine befreiende und einengende soziale Praxis. Dies alles zeigt, dass in diesem Feld theoretisch wie praktisch noch vieles in Bewegung ist.

Die Beiträge laden jedenfalls ein, Männlichkeiten in ihren sozialen Bedingungen wie Milieu und Generation zu verorten und entsprechend zu kontextuieren. Damit leisten sie einen wichtigen, wenn nicht unverzichtbaren Beitrag zu einer demokratischen Kultur einer Einwanderungsgesellschaft, welche ihr Handeln an Menschenrechten und gleicher Würde aller orientiert, aber nicht länger an Vorurteilen und Stereotypen, egal ob sexistischer, rassistischer oder sonst wie entwertender Provenienz. Wer einfache Antworten sucht, sollte das Buch nicht in die Hand nehmen. Für alle anderen ist es ein Gewinn. Es ist eine gute Schule für interkulturelle und männerspezifische Aufmerksamkeiten.

 

Dr. Hans Prömper

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