Wenn mein Herz ohne Frieden ist, suche ich den Fluss.
Ich gehe durch die wenigen Straßen des Dorfes, schlüpfe durch einen Durchgang in der Mauer, folge dem Pfad durch die Gemüsegärten und steige über kniehohe, vom Wasser geschliffene Blöcke in grau und violett.
Der Fluss, von einem fahlen Türkis in dieser Jahreszeit, schäumt von rechts heran, wirft sich mit muskulösen Saltos über die Steinblöcke, zerteilt sich an stilleren Zonen in weiche Finger, die die Kiesel benetzen, und rollt dann weiter, entlang der erlenbestandenen Ufer, zum Meer.
Ich sitze am Fluss, eingehüllt in sein Rauschen, und sehe das Wasser kommen und gehen. Es rinnt, wohin es von der Schwerkraft gerufen wird, und streichelt dabei die Steine rund. Das Wasser fließt, ohne jeglichen Gedanken daran, wohin es richtig ist zu fließen.
Auch ich bin dieses Wasser. Heute Morgen habe ich ein Glas davon getrunken; es floss aus der Leitung in meiner Küche, aber es kam aus der gleichen Quelle.
Wenn ich am Fluss sitze, fließt das Wasser durch mich hindurch, direkt durch mein Herz, und ich kann spüren, wie seine viskosen Muskeln meinen Brustkorb massieren.
Wenn ich nach ein paar Minuten wieder aufstehe, hat mir das Wasser oft Frieden gebracht. Es hat mir erlaubt zu sein, so wie es sich selbst das Sein gestattet, nur der einen inneren Notwendigkeit folgend, dorthin zu fließen, wohin es fließt. Ich versuche, mir meinen Platz zu erkämpfen, mir eine Existenz zu sichern, während der Fluss einfach ist, fraglos, antwortlos. Der Fluss ist in Frieden. Frieden heißt Sein zu erlauben.
Es gibt den Satz: „Sünde ist, was dein Herz bedrückt. Lass es hinter dir“. Mein Herz ist das in mir, was fließt wie das Wasser, das dorthin strebt, wohin es fließen muss, ohne Frage. Ich möchte aufhören, seinen Fluss zu behindern. Ich möchte die Hindernisse hinter mir lassen, die das freie Sein blockieren, so wie der Fluss die behutsam liebkosten Kiesel hinter sich lässt.
Mein Herz ist der Ort in mir, an dem ich nicht ich bin, sondern Wasser, das Sein erlaubt. Es erlaubt mir das Sein, weil es sich selbst das Sein erlaubt, weil es nichts anders kann, als Sein zu erlauben, als zu fließen, wohin es fließt.
A. Weber