Lk 15,1-3.11-32. Verlorengehen, Schwäche zeigen dürfen & (sich) wiederfinden.
Besser bekannt als das “Gleichnis vom verlorenen Sohn”. Es ist mir als Grundlage für meinen Oster-Impuls empfohlen worden. Das Gleichnis erzähle u.a. von der Freude über ein neu begonnenes Leben. Ich bin kein Theologe, jedoch die eine Stelle hat mich tief berührt: “Der Vater sah ihn (den verloren geglaubten Sohn) schon von weitem kommen, und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“
Für mich verhält es sich so: Alle, der Sohn, der Bruder des Sohnes, der Vater usw., alle können prinzipiell neu beginnen. Auf meinem Teebeutel stand dazu heute passend der Spruch: “Vergib deiner Vergangenheit. Schaffe Raum für deine Zukunft.”
Ein paar Zeilen zu meiner Person:
Wer bin ich denn? Ich heiße Wolfgang, Wolfgang Tutsch und wie der Vorname unschwer vermuten lässt, bin ich bereits 1973 geboren, als dieser Name zwar auch schon „old fashioned“ aber immerhin noch zeitlos war. In der aktuellen Rangliste der beliebtesten männlichen Babynamen: Platz 238, nun ja. Ich stamme aus einer klassischen Arbeiterfamilie mit vier Kindern, erlernte zunächst einen Handwerksberuf, holte dann das Abitur nach, studierte und wurde so Sozialpädagoge, Systemischer Familientherapeut und Master Mental Health (Psychiatrie). Allein wenn ich das hier so schreibe, kommt es mir „irgendwie schon immer wie ein Leben auf der Überholspur“ vor. Ja, ich bin belastbar, resilient (also kann mich widrigen Umständen anpassen), kann wenn nötig über meine Grenzen gehen, auch wenn ich weiß, dass das irgendwann und irgendwie seinen Preis fordern wird. Schließlich arbeite ich seit 16 Jahren in der Krisen- und Lebensberatung und seit 6 Jahren zusätzlich als Referent der Männerseelsorge der katholischen Kirche in München. Auch ich fühle mich manchmal überfordert, schwach, vor allem wenn ich glaube, anderen oder mir nicht gerecht zu werden. Ich bin Vater zweier Kinder, Tochter 7 und Sohn 16 Jahre alt. Wobei mein Sohn nicht immer bei uns lebt. Sprich, biographische Brüche und Krisen sind nicht nur mein Beruf, sondern selbstverständlich auch Teil meines eigenen Lebens. Wo immer möglich versuche ich Inseln der Ruhe und Auszeit in meinen Alltag zu integrieren, ob mit Sport, Natur, Qi Gong oder „indem ich mich in meditativem Basteln & Schrauben“ an unserem Oldtimer „VW T3 Carthago Malibu Flash- Sonderedition“, übe. Eine längere, richtige Auszeit, war aber schon etwas länger her.
Thema Auszeit: Elternzeit 2.0 als Vater. Ich habe die Monate September/Oktober 2021 eine zweite Elternzeit, bewusst als Auszeit genommen. Nochmals eine zweite Elternzeit nehmen, solange es noch geht, d.h. bevor das 8 Lebensjahr meiner Tochter vollendet ist. Die Konzentration und vor allem Reduktion auf eine einzige wesentliche Aufgabe, auf die eine wichtige Rolle/Identität in meinem Männerleben, mein Vatersein. Und auf diesem reduzierten Pfad, auch die Chance einer Konzentration auf mich, als Mensch, als Mann. Wie geht’s mir eigentlich mit mir selbst, als Vater und als Wolfgang? Vorsorge statt Nachsorge erschien mir geboten zu sein.
Impulstext: O.k., der Zusatz 2.0 klingt etwas selbstbeweihräuchernd. Wird das Wort doch inflationär, einen fast schon langweilend, überall angehängt, um zu zeigen, dass es eine verbesserte Version ist. Dazu müsst ihr jedoch wissen, dass ich bei meiner Tochter schon 9 Monate Elternzeit in Vollzeit genommen hatte und zudem nur halbtags arbeitete, bis sie 2 Jahre alt war. In dieser Zeit waren die Umstände jedoch ungeplant dann so, dass ich mich nicht nur auf mein Vatersein konzentrieren konnte, sondern gleichzeitig viele unvorhersehbare Baustellen meine Aufmerksamkeit verlangten. Wie gesagt, man zeigt sich gern resilient und flexibel. Da bot es sich für mich deshalb geradezu an, dass ich meine, nun 7 Jahre alte Tochter in diesen pandemischen Ausnahmezeiten beim Übergang vom Kindergartenkind zum Grundschulkind mit einer zusätzlichen zweimonatigen, zweiten Elternzeit begleite. Auch mein Sohn hat uns in dieser Zeit schon länger spüren lassen, dass er mit 16 Jahren gerade eine Veränderung durchmache, auf die ich mich zusätzlich einstellen wollte.
Ganz ehrlich gesagt, sah ich darin aber auch eine ganz „egoistische“ zentrale Chance, mich 8 Wochen am Stück aus dem sonst nie ausbalancierten Hamsterrad der „Work Life Balance“ herauszunehmen. Ja, sich einmal selbst der Nächste zu sein. Auch als Mann. Warum nicht? Wie soll ich meine Nächsten lieben, wenn ich mich, bzw. „mein momentanes Ich“ selbst nicht so recht leiden kann? Nicht nur wie geht es dir als Vater mit deinen Kindern und denen mit dir. Sondern, habe ich es verpasst zu merken, dass ich an einem Wendepunkt stehe? Denn ich werde schließlich bald 50! Was bin ich den Menschen denn für ein Vorbild, wenn ich selber nicht auf mich achte? Ich wollte mal echt und länger Innehalten, eine Stopptaste drücken, meine Mitte neu ausloten, das Wesentliche für mich klären, um hoffentlich gestärkt oder wenigstens etwas neu ausgerichtet in den Berufsalltag zurückzukehren.
Meine eigene Erfahrung (rückblickend): Oft macht es Sinn zwischendurch Pausen zu machen, auch mal etwas lassen bzw. aufhören zu können. Das war bei mir ganz wichtig, um meinen Kopf, meinen Geist, meine Seele zur Ruhe kommen lassen zu können. Außer am Wochenende und selbst da, ertappte ich mich beim Zusammenspiel mit meiner Tochter, wie ich ihr ausgewichen bin: „Ich würde ja gerne, aber …“. „Wenn ich mal Zeit habe, dann …“. „Das geht jetzt nicht, weil…“ Dieses Muster brauchte eine radikale Kur! Ich bin doch gerne Vater und liebe meine Kinder. Ich wollte Ihnen wieder offen, unvoreingenommen und ohne eigene Zensur und mit meiner ganzen Liebe begegnen. Meiner Tochter und mir tat es sichtlich und immer noch anhaltend gut. Ohne Zeitdruck Einkaufen, Kochen, Aufräumen, bei der Hausaufgabe begleiten, Spielen, Kuscheln, Lachen, Spaß und Freude haben. Sowohl meine Tochter, als auch meine (zu) viel arbeitende Frau, mussten fast schon eine Träne drücken, als ich wieder zusätzlich meiner Arbeit nachging. Der Reset hat jedoch gewirkt, auch wenn sich das eine oder andere mittlerweile wieder eingeschlichen hat. Es half nicht nur mir, sondern auch meiner Frau unseren Rollen als Eltern, als Paar und als eigenständige Individuen, wieder wohlwollender und wertschätzender zu begegnen. Wir erleben uns bis heute wieder stärker verbunden, dankbar für das was wir haben und haben uns zusätzlich als Ziel gesetzt, wieder mehr und regelmäßig miteinander zu reden und dass keiner mehr sich allein die Rosinen rauspicken darf. Das Wesentliche für mich ist und bleibt meine Familie, meine Beziehungen zu Freunden, zu meinen Eltern usw. und vor allem eine gute Beziehung zu mir selbst. Wie oft habe ich Vätern in Trennung gesagt: „Sorge gut für dich selbst. Wenn es dir gut geht, dann geht es auch deinen Kindern gut“.
Ach ja, mein Sohn hat sich in dieser Zeit altersgemäß eher noch mehr zurückgezogen, was sicher nicht daran lag, dass ich mich intensiver um seine kleine Schwester gekümmert habe. Loslassen gehört eben auch zum Vater sein. Ich liebe Ihn und er weiß das. Auch wenn wir uns gerade weniger sehen, sind wir, bin ich, immer für ihn da. „Um ihn schon von weitem kommen zu sehen, ihm entgegen zu gehen, um den Hals zu fallen und zu küssen.“ Seine Schwester sagt, immer wenn er mal wieder kommt, machen wir für ihn eine Party!