Sitzler, Väter und Töchter

Susann Sitzler, Väter und Töchter, Ein Beziehungsbuch, Klett-Cotta, Stuttgart 2021

Susann Sitzler ist eine in Berlin lebende Schweizer Journalistin und Autorin. In ihrem Beziehungsbuch zum Thema Väter und Töchter hat sie viele persönliche Erfahrungen verarbeitet. Denn immer wieder beschreibt sie in dem Buch mit eigenen Fragen und Aussagen ihr Verhältnis zu ihrem Vater. Als Beispiel können Sätze „Warum hörte er mir nicht zu?“ „Warum verstand er so wenig von mir?“ „Er war der erste Mann, den ich kannte. Von ihm habe ich gelernt, was Männer überhaupt sind“ dienen. Aber auch die Entwicklung ihrer eigenen Persönlichkeit wird aus den nachfolgenden Äußerungen deutlich: „Für meine Mutter war das Bewusstsein, dass ihr Mann das Oberhaupt ist, wie selbstverständlich“. „Als Teenager dachte ich, dass etwas mit mir falsch sei, weil es mir nicht gelang, meinem Vater meine Liebe und Verehrung offen zu zeigen.“

Ein Vater hat nach den Aussagen im Buch zwei unterschiedliche zentrale Aufgaben. Eine reale und eine abstrakte (man kann dem anderen Geschlecht vertrauen und zweitens eine idealisierte Vorstellung davon, wie es wäre, einen solchen Mann im Leben zu haben). Männer müssen von Anfang an eng in den Alltag ihrer Töchter eingebunden werden. Damit beide einander früh und so gut wie möglich kennenlernen können. Und später: Ein Vater, der sich mit seiner Tochter identifiziert, kann ihr unendlich viel Mut machen und ihr wichtige Dinge beibringen. Ein Vater muss aber auch dafür Verständnis haben, dass sie niemals ein Mann sein wird. Dann können beide von dieser Gegensätzlichkeit profitieren. (Vater als Sparringspartner für die Tochter).

Die Bedeutung der Vaterbindung ist für ein Kind erst vor wenigen Jahrzehnten entdeckt worden.
In der Psychologie wurde die Bedeutung des Vaters für die Entwicklung eines Kindes recht lange als gering bewertet. Das sie anders aussehen, sprechen, andere Dinge tun. Der Vater ist der erste Mann. Er öffnet seiner Tochter die Welt.

Auf welche Weise beeinflussen Väter konkret den beruflichen Erfolg ihrer Töchter? Indem sie sie ermutigen, sich vom gesamten Buffet zu bedienen, anstatt sich in falscher Bescheidenheit selbst den Weg abzuschneiden. Mädchen müssen lernen, dass sich tradierte weibliche Verhaltensweisen und tradierte männliche Verhaltensweisen sich auch innerhalb eines einzigen Menschen weder aufheben noch ausschließen.

Das was unsere Eltern als Kinder in sich aufgenommen haben prägt auch uns. Als Kind ist man auf die Rollen, die man in den ersten Jahren erlernt hat, für sein ganzes Leben geprägt. Als Tochter gilt das besonders für die Rolle die einem vom Vater verliehen wurde. Wer man als Tochter seines Vaters wurde, ist vielleicht ein Name, eine Erinnerung, aber es ist immer nur eine Facette. Dahinter, und sie gilt es zu erlangen, beginnt die Freiheit der erwachsenen Frau. Vater ist eine der mächtigsten Zuschreibungen menschlicher Gemeinschaft.
Männlichkeit und Weiblichkeit sind offene Rollengerüste mit vielen Nuancen. Es muss anerkannt werden, dass auf beiden Seiten Privilegien und Autoritäten neu zu verhandeln sind. Zwischen Vater und Tochter herrscht eine lebenslange Asymmetrie. Noch bevor die Tochter ein Bewusstsein hat, beginnt der Vater womöglich, Zukunftshoffnungen und Rollenvorstellungen auf sie zu projizieren.

Als Mädchen muss man auf seinen Vater bauen. Aber man muss als Tochter die Freiheit gewonnen hat, vom Vater nicht nur gesehen werden zu wollen.  Sondern wenn man selbst in der Lage ist, ihn genau anzusehen und auszuhalten

 

Resümee: Das Buch nennt sich im Untertitel Ein Beziehungsbuch. Es ist ein persönliches, ein subjektives Buch, das in beschreibenden 37 Kapiteln zum Nach- und Weiterdenken anregt. Mir hat sich nicht immer die Verbindung von persönlicher Geschichte und wissenschaftliche Erkenntnisse erschlossen. Gerade in dem persönlichen Bereich hat das Buch seine starken Seiten. Es ist kein „gebrauchsfertiges“ Buch, sondern eins, dass erlesen werden will. Sitzler lotet in diesem Buch aus, was ein Vater für deine Tochter sein kann -Verbündeter, Förderer, Sparringspartner.

Jürgen Döllmann



Stichworte: Vater und Kind, Beziehung

Related Posts

Datenschutz
Wir, Kirchliche Arbeitsstelle für Männerseelsorge und Männerarbeit in den deutschen Diözesen e.V. (Vereinssitz: Deutschland), würden gerne mit externen Diensten personenbezogene Daten verarbeiten. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht uns aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl:
Datenschutz
Wir, Kirchliche Arbeitsstelle für Männerseelsorge und Männerarbeit in den deutschen Diözesen e.V. (Vereinssitz: Deutschland), würden gerne mit externen Diensten personenbezogene Daten verarbeiten. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht uns aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl: