Gewährte Vergebung: Befreiung zu neuem Leben
– „Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben haben (wörtliche Übersetzung) unseren Schuldigern“ –
Manche sagen, der Kern des christlichen Lebens ließe sich in Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft zusammenfassen.
Eine Erfahrung, die ich vor beinahe zwanzig Jahren im mittelamerikanischen Guatemala machen durfte, in der Periode nach der dort sogenannten „Zeit der Gewalt“ des Bürgerkrieges. Eine indigene Maya-Frau beeindruckte mich damals sehr nachdrücklich und ist mir bis heute gegenwärtig. Diese einfache und materiell arme Frau, die nur durch tägliche eigene kleine Subsistenzwirtschaft sich und ihren Töchtern ein Überleben sichern konnte, verzieh dem Mörder ihres Mannes ausdrücklich in einer Aussprache. Fast täglich waren sich die beiden auf den Wegen ihres kleinen Dorfes begegnet.
Dass so ein Verhalten Menschen möglich ist – und sicher ebenso im ehemaligen afrikanischen Bürgerkriegsland Ruanda geschieht und auch andernorts -, macht mich demütig und gleichzeitig froh. Es ist also wirklich jederzeit tatsächlich in unserer Jetztzeit, und nicht allein im historischen Kontext der grausamen Ermordung Jesu am Kreuz, zwischen Menschen machbar, dass Vergebungsbereitschaft wirksam wird. Dass unter Absehung von Rache, Vergeltung und seelenzerstörendem Groll in gewaltloser Haltung freiwillig ein Zeichen gesetzt werden kann: So kommen alle Beteiligten aus einer schuldhaften Verstrickung wieder heraus zu einem Neuanfang in einer offenen humaneren Zukunft.
Einer hat vor rund 2000 Jahren auf Golgotha an einem Folter- und Hinrichtungskreuz der römischen Besatzer hängend das kosmische Zeichen gegeben. Ein für alle Mal lässt der Gott der Welten am Ende sein geliebtes Menschenebenbild nicht sinnlos leiden und sterben. Viele andere wiederum haben es in der Nachfolge Jesu mit ihrem Leben bezeugt: neben den lateinamerikanischen Märtyrinnen und Blutzeugen auch Maximilian Kolbe, Janusz Korczak und viele andere, meist unbekannte Frauen und Männer. Sie waren zu solchen scheinbar über das menschenmögliche Maß hinausgehenden und von sich selbst absehenden empathischen Taten fähig. Das stimmt mich immer neu hoffnungsvoll, was die Zukunft der Menschheit angeht, auch angesichts der aktuellen Kriege und Leiden.
Zur weiteren Vertiefung über die Passionsgeschichte hinaus:
Die Bibel, Neues Testament, Evangelium nach Matthäus, Kapitel 18, Verse 21 bis 35.
„Großer Geist, bewahre mich davor über einen Menschen zu urteilen, ehe ich nicht tausend Meilen in seinen Mokassins gelaufen bin.“ (Weisheit der nordamerikanischen Apachen)
Burkhard Bleul
Bild: der sog. Schwarze Christus von Esquipulas“ (Cristo negro) aus einem Bilder-Triptychon aus der Hauskapelle im Bischofshaus von Santa Cruz del Quiché, Guatemala;