Fastenimpulse 2022 – Ostersonntag

Zeugnis geben – Erfahrungen bezeugen

Aus dem Lukasevangelium: Am ersten Tag der Woche gingen die Frauen mit den wohlriechenden Salben, die sie zubereitet hatten, in aller Frühe zum Grab. Da sahen sie, dass der Stein vom Grab weggewälzt war; sie gingen hinein, aber den Leichnam Jesu, des Herrn, fanden sie nicht. Und es geschah, während sie darüber ratlos waren, siehe, da traten zwei Männer in leuchtenden Gewändern zu ihnen. Die Frauen erschraken und blickten zu Boden. Die Männer aber sagten zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden. Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war: Der Menschensohn muss in die Hände sündiger Menschen ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen. Da erinnerten sie sich an seine Worte. Und sie kehrten vom Grab zurück und berichteten das alles den Elf und allen Übrigen. Es waren Maria von Magdala, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus, und die übrigen Frauen mit ihnen. Sie erzählten es den Aposteln. Doch die Apostel hielten diese Reden für Geschwätz und glaubten ihnen nicht. Petrus aber stand auf und lief zum Grab. Er beugte sich vor, sah aber nur die Leinenbinden. Dann ging er nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war.

Für mein Empfinden kommen die Männer in dieser Erzählung nicht gut weg.

„Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Das hört sich für mich wie ein belehrender Vorwurf an. Die Apostel halten die Aussagen der Frauen für Geschwätz. Petrus wundert sich. Zum Glauben kommt er aber erst später durch die Begegnung mit dem Auferstandenen selbst. „Selig sind, die nicht sehen, und doch glauben“, sagt Jesus. Der Evangelist Lukas berichtet nüchtern und sachlich. Die Männer behalten die Kontrolle, sie bleiben im Kopf. Die Gefühle, die mit dem Geschehen bei den Beteiligten verbunden sind, kann ich, abgesehen vom Erschrecken der Frauen, nur zwischen den Zeilen erahnen.

Mit dem Ostersonntag verbinde ich die eigenen Auferstehungserfahrungen, die ich, mittlerweile 61 Jahre alt, in den letzten Jahrzehnten gesammelt habe. Frauen spielen dabei eine zentrale Rolle. Maria von Magdala wird in der Bibel als erste Verkünderin und Zeugin des Auferstandenen genannt. Damit wird ihr eine Autorität zuerkannt, die später durch das Patriarchat der Apostel überdeckt wird. Um in Kontakt mit den Gefühlen zu kommen, die mich innerlich zutiefst bewegen, brauche ich den Dialog mit Frauen. Hier darf ich mir erlauben, Schwäche und Verletzlichkeit zu zeigen. Im Vergleich dazu bleibt mein Austausch mit Männern oft eher an der Oberfläche.

Was muss eigentlich passieren, damit es wirklich „ans Eingemachte“ geht und Erfahrungen von Auferstehung möglich werden? Krisen sind anscheinend unvermeidlich, ja erforderlich, um sozusagen vom Boden aus innerlich zu wachsen, zu reifen und wieder neu gerade zu stehen und gehen zu lernen. Es wurden auch in meinem Leben die kleinen Tode des Alltags gestorben: Ein beruflicher Weg erwies sich als Sackgasse, eine Partnerschaft oder langjährige Freundschaft ging zu Ende, ein Schicksalsschlag nahm mir einen lieb gewordenen Menschen, ein gesundheitlicher Einbruch konfrontierte mich mit Grenzen meiner Vitalität und ich musste mich damit arrangieren.

Wo ist Gott in all dem? Gott begegnet mir in der Ohnmacht, im Ausgeliefert-Sein, im Nebel, der sich auf dem Weg zeigt, wenn ich nicht weiß, wie es weitergeht. Ohnmacht zu durchleben und annehmen zu lernen, ist für mich eine Weise der Nachfolge Jesu. Durchkreuzte Pläne, die Waffen des Streits sinken zu lassen, einzuwilligen: Es ist wie es ist.

Darin liegt für mich keine Resignation, denn es geht ja dennoch weiter. Wenn ich durch den Nebel gegangen bin, zeigt sich dahinter ein lichter Pfad. Wenn der Weg nicht schnurgeradeaus führt, dann schaue ich, was links und rechts am Wegesrand liegt. Gott hat seinen Sohn von den Toten auferweckt. Die Zeit der Pandemie und des Krieges zeigt mir: Alles selbst unter Kontrolle zu haben, ist eine Illusion. Ich brauche andere, die mir unter die Arme greifen. Ich bin dankbar, dass ich die Infektion ohne Nachwirkung überstanden habe. Ich danke Gott dafür, dass ich das Privileg habe, aufrecht durchs Leben zu gehen und nicht unterdrückt und in Angst leben zu müssen.

Dankbarkeit ist für mich von neuem zu einer Haltung geworden, die mich motiviert, mich an verschiedenen Stellen in Familie, Gesellschaft und Kirche einzubringen: Ich achte mehr auf Menschen in meiner Umgebung, die alleine leben; ich habe es als Ehre empfunden, ein Familienmitglied beerdigen zu dürfen und darüber die verstreute Familie zusammen zu holen; ich kurble das Gemeinschaftsleben in meiner Nachbarschaft neu an; ich bereite eine Männer-Wallfahrt in dem Bewusstsein vor, dass die Zeit und die Begegnung kostbar sind.

Zeugnis von der Auferstehung geben: Das ist für mich das Bekenntnis zu dem Glauben, dass ich nicht tiefer fallen kann als in Gottes bergende Hand. Und es ist eine Haltung und eine Praxis, die zeigt, dass Scheitern nicht das Ende ist, sondern dass es weiter geht. Allerdings ist nicht immer klar, wo und wie genau …

Andreas Geilmann

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