Dittloff, Prägung

Christian Dittloff, Prägung, Nachdenken über Männlichkeit, Berlin Verlag, 2023

Der Autor beschreibt in der Einleitung seine Beweggründe für das Buch, dass er sich jedes Mal winde bei der Zuschreibung Mann, auch wenn er sich selbst als Mann sehe. „Kann ich dem Mannsein und dem vergeschlechtlichten Habitus entrinnen?“

Ihn interessiert die sexistische Prägung aller Männer, er möchte dort hinschauen, wo sie sich weniger eindeutig zeigt als in Muskeln, Waffen und demonstrativer Dominanz, ihn interessiert ihre Ambivalenz. Er ist der Meinung, dass in einer „unauffälligen“ Kindheit, in der nur latenten Gegenwärtigkeit von Sexismus, bereits das Potential zur Gewaltbereitschaft andeutet. Dafür untersucht er anhand seiner eigenen subjektiven Geschichte als Mann, wie das Aufwachsen unter patriarchaler Prägung ihn geformt hat: Wie wurde ich zu dem, der ich bin?

Als erstes reflektiert er Rollenmodelle aus der Schulzeit, dazu nutzt er Aufgeschriebenes aus dem Ethikunterricht. Es geht um Freunde, Beziehung zu Frauen und zum Vater. Durch Selbstreflexion bemerkt er, was Ihm entgangen ist und dass er sich im Schutz seiner Privilegien grenzüberschreitend dem sozialen Raum zumutete.

Das patriarchale System beeinflusst das Leben von Mädchen und Jungen von Geburt an. Er konstatiert, dass er in der Schule nichts darüber gelernt hat. „Ich wusste nichts davon, dass ich in einem System von Normen und Verhaltensmustern lebe, dass von Männern geprägt und kontrolliert wird.“ Männer können gegebenenfalls mit ihrem Handeln gegen die Regeln verstoßen und damit über dem Gesetz stehen.
Der Autor kommt zu der Erkenntnis, dass er sich ständig im inneren Museum seiner Prägung befindet. Er muss akzeptieren, dass er nicht vollkommen der Mann ist, der er gern wäre.

Dittloff beschreibt, dass er versucht hat, die konventionelle Männlichkeit abzuspalten. Er profitiert aber doppelt von Ihnen. Indem er sich ihnen anschließe, kommt er in den Genuss struktureller Privilegien im Patriarchat und kann sich zugleich als das Gegenteil präsentieren, als neuer männlicher Typus eines Zeitgeistes. Diese Form von Macht, er hat sie selbst nie bemerkt, sie hat sich in der Selbstverständlichkeit versteckt gehalten. Das ist das Wesen des Privilegs.

Der Autor ist selbst seit seiner Jugend auf der Suche. Er zweifelt und stellt Fragen. Dass macht ihn sympathisch und nahbar. Er beschreibt seine eigenen Widersprüchlichkeiten, die wahrscheinlich in uns allen schlummern. Jungen und Männer profitieren vom Patriarchat, denn es erfüllt ihnen viele Bedürfnisse. Doch er hat das Gefühl, ihm wurde etwas genommen: die unterstützte Möglichkeit, sich in seinem ganzen Menschsein zu erleben und weibliche Aspekte seines Wesens positiv zu bewerten. Wann endet die Prägung und wo beginnt die Verantwortung? Veränderung fordert den Bruch mit dem veralteten und verinnerlichten Bewertungssystem. Sinn des Schreibens und Suchens ist es, sich selbst nach der Reflexion ins Handeln zu bringen. Das sollte in der Kindheit beginnen und dort auszuwerten, was sie über Männlichkeit gelernt haben. Es geht damit um Vergangenheit und Kindheit, um Erziehung und Vorbilder. Dittloff thematisiert die Fallstricke der Reproduktion von Männlichkeit, in dem der offen auch von seiner Suche schreibt und sich damit angreifbar macht und verletzlich zeigt. Dies ist ein großes Verdienst dieses lesenswerten Buches. Wer sich auf die teilweise abstrakten Gedankenspiele des Autors einlassen kann und möchte, wird es mit Gewinn lesen. Wichtig ist, sich immer darüber im Klaren zu sein, dass dieses Buch Teil eines Prozesses ist, der gerade erst angefangen hat. Und dabei nicht zu vergessen, dass es zugleich ein Appell ist, auch sich selbst als Mann diesem Prozess zu öffnen.

Jürgen Döllmann

Stichworte: Männer Heute, Männlichkeit

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