Tobias Moorstedt, Wir schlechten guten Väter

Tobias Moorstedt, Wir schlechten guten Väter – Warum Männer sich erfolgreich gegen Familienarbeit wehren, DuMont, Köln, 2022

Dem Journalisten Tobias Moorstedt geht nach eigener Aussage weniger darum, moralisch zu verurteilen, sondern die Ambivalenz unserer gesellschaftlichen Realität zu beschreiben. Eine Mehrheit der Männer in Deutschland will sich heute gleichberechtigt mit ihrer Partnerin um die Kinder kümmern, aber die überwiegende Mehrheit sieht die Vollzeitbeschäftigung noch immer als bestes Lebenskonzept an. In dem Buch geht es um die Frage, wie wir mit diesen Widersprüchen umgehen.

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Paarhaushalten ist kontinuierlich gestiegen. Mütter minderjähriger Kinder arbeiten zu 66% in Teilzeit, Väter nur zu 5,8%. Zwar geben immer mehr Männer an, dass sie Zeit mit ihren Kindern verbringen und sich im Haushalt engagieren wollen, die Daten spiegeln diesen Einstellungswandel jedoch nur bedingt wider. Die Struktur des Steuersystems in Deutschland folgt dem Modell des männlichen Haupternährers. Man redet oft mehr über moderne Rollenverteilungen, als die Rollen die man lebt, zu hinterfragen! Frauen sind nicht von Natur besser im Planen oder Organisieren, von ihnen wird nur erwartet, dass sie dies häufiger tun, und werden so schließlich besser darin. Wahrscheinlich tragen traditionelle Rollenbilder, staatliche Steuerungsinstrumente und individuelle Entscheidungen dazu bei, dass Mütter sich ein Wissen erarbeitet haben. Außerdem kann es auch ein Ausdruck von extrem hohen Standards sein, die die Mütter an sich selbst stellen oder von der Gesellschaft an sie gestellt werden Es scheint also weniger das biologische Geschlecht zu sein, dass mütterliche Fähigkeiten ermöglicht, sondern eher die tägliche Betreuungserfahrung von Kindern. Man erlernt das Elternsein, in dem man es tut.

Sozialisierung sorgt oft für genderspezifisches Verhalten, Jungen dürfen keine Schwächen zeigen Mädchen werden für Empathie und Orientierung am Gemeinwohl belohnt. Anders als wir oft glauben sind wir über die alten Rollenklischees und Rollenbilder nicht hinaus.

Wir müssen uns genauer und ehrlicher selbst befragen, wenn es um die großen Entscheidungen der Care Arbeit geht. Mehr als jeder moralische Apell hat die Einführung von Elterngeld die Einstellung von Männern zum Thema Care beeinflusst. Weil dadurch neue Routinen entstanden sind Die Praxis verändert die Einstellung. Wahrer Wandel entsteht nicht durch Apelle oder Aufforderungen durch Institutionen. Viel effektiver ist es, an den Routinen anzusetzen und an der täglichen Praxis. Die Frage ist, wo steht Gleichberechtigung in meiner persönlichen Bedürfnispyramide? Und bin ich bereit, Unannehmlichkeiten oder Nachteile für dieses Ziel in Kauf zu nehmen?

Gleichberechtigtes Aufteilen erhöht die Zufriedenheit in der Beziehung oder die Bindung zu den Kindern. Wie anders ist doch das Dasein am Arbeitsplatz, welches für viele Teil der Identität ist und wo ich mich als Macher und Problemlöser beweisen kann. Hausarbeit bleibt oft unsichtbar bzw. fängt immer wieder von Neuem an. Wir müssten Care Arbeit besser anerkennen. Einen ähnlichen Effekt könnte das Grundeinkommen auslösen, es könnte einen finanziellen Freiraum schaffen, die Freiheit für Väter und Mütter, im Job kürzer zu treten.

In dem Buch geht es vor allem um die Aufteilung der Care Arbeit mit kleinen Kindern, andere Aspekte von Care Arbeit werden nicht behandelt. Dabei fand ich es gut lesbar. Es will Debatten anstoßen und ist als Impulsgeber für die Arbeit mit Männern geeignet. Mir haben auch Zitate aus Interviews mit Vätern gefallen: „Irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass da im Hintergrund meines Lebens mein Nachwuchs aufgezogen wird, bis er alt genug ist für die coolen Dinge.“ Und „Man muss einfach beim Kind das Gefühl hinterlassen, die Eltern sind gleichberechtigt, beide können alles erledigen“. Die Grafiken am Ende eines jeden Kapitels zur Verdeutlichung des Geschriebenen fand ich daneben ansprechend.
Die Qualitäten des neuen Vaters – das Fürsorgliche, Verbundene, Verständnisvolle- können einen Weg in die Zukunft weg von toxischer Männlichkeit weisen. Wenn man es schafft, das Klischee des unbeteiligten und unqualifizierten Mannes hinter sich zu lassen, kann es ein positiver und sich selbst verstärkender Prozess sein. Es kann die psychische und psychische Gesundheit stärken (Sozialkontakte, Beziehungsqualität). Das gute Leben beginnt heute. Warum gehen wir nicht einfach voran. Hier jetzt und heute. Ja warum eigentlich nicht? Ein inspirierendes Buch.

Jürgen Döllmann

Stichworte: Care, Männer Heute, Männlichkeit

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