Tippe, Toxische Männlichkeit

Sebastian Tippe, Toxische Männlichkeit, edigo Verlag Köln, 2021

Toxische Männlichkeit sind sozialisationsbedingte Verhaltensweisen und Präsentationen von Männern, mit denen sie Frauen und anderen Gruppen Schaden zufügen. Jeder Mann hat toxische Anteile in sich. Der Pädagoge und Blogger Sebastian Tippe zeigt, wie sich toxische Männlichkeit individuell und strukturell auswirkt: auf Familie und Partnerschaft, Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum, auf Gesundheit, Sexualität, Gewalt, Pornographie, Prostitution
Tippe schildert toxische Männlichkeit damit als ein gesamtgesellschaftliches Problem, das schon bei scheinbar alltäglichen Verhalten beginnt: beim permanenten Unterbrechen von Frauen, dem Ausgeben von Ideen von Frauen als den eigenen, beim Mansplaining und Manspreading.

Für Männer ist es wichtig, sich zunächst einzugestehen, dass wir in patriarchalen Strukturen leben. Mit diesem Wissen sollen sie in die Reflektion gehen und daran arbeiten, ihre Einstellungen und Verhaltensweisen zu ändern sowie die eigenen Privilegien abzubauen.
Dieses Buch ist laut Einleitung ein Wegweiser für Männer, die Unterstützung brauchen bei der Suche nach all ihren toxische Verhaltensweisen. Es gibt Tipps, wie toxische Männlichkeit verändert werden kann. Das Kontinuum toxischer Männlichkeit beginnt bei alltäglichen Denk- und Verhaltensweisen. Und sie schaden nicht nur Frauen, sondern auch den Männern selbst. Das Buch ist als Einladung zu verstehen, sich der eigenen toxischen Anteile bewusst zu werden und daran zu arbeiten, sie zu verändern. Durch Reflexionsprozesse können sehr viele der problematischen Verhaltensmuster durchbrochen und verändert werden, denn auch toxische Männlichkeit ist sozial konstruiert. Eine gesellschaftliche Veränderung muss dahingehend vorangetrieben werden, dass biologische Geschlechter nicht an Verhaltensmuster geknüpft sind.
In einem Kapitel über Jungen wird beispielsweise geschildert, dass sie oft sehr früh Eigenschaften wie Selbstfürsorge, liebevoller Umgang, Zugang zu den eigenen Gefühlen abspalten. Ein Teil toxischer Männlichkeit resultieren aus der Unterdrückung von Emotionen und dem Fehlen von gewaltfreien Lösungsstrategien. Wut und Frustration und dem Wunsch, sich selber aufzuwerten sowie alles Unmännliche abzustoßen. Toxische Männlichkeit hat also strukturelle (Patriarchale Strukturen) und individuelle Ursachen (individuelle Übergrifflichkeit und Abwertung).

Es ist eine sehr einfache Antwort, auf problematisches Verhalten zu antworten, Jungs sind halt so. Damit wird die Möglichkeit ausgeblendet, Geschlechterstereotype zu hinterfragen. Und ein anderer Bereich, der der Sprache: Frauen werden durch die Verwendung des generischen Maskulinums unsichtbar gemacht.

Im Bereich der Familie sollten Männer eigene Fehler zugeben (es tut mir Leid“) und die Hausarbeit gleichberechtigt aufteilen. (und eine Übersichtsliste erstellen, damit sichtbar wird, welche Aufgaben alle im Haushalt zu erfüllen sind). Es ist ebenso die Verantwortung von Männern, sich um alle Aufgaben des gemeinsamen Lebens zu kümmern. Beide Elternteile sollten gleichermaßen ihre Arbeitsstunden-beruflich wie privat- teilen.

Der Autor hat kein wissenschaftliches Buch geschrieben, sondern einen praktischen Ratgeber. Nur die Änderung von Gesellschaft nimmt die Männer nicht aus der Verantwortung. Jeder trifft individuelle Entscheidungen. Wir brauchen bessere, alternative Geschlechtervorstellungen. Männer müssen anerkennen, dass es ein Patriarchat gibt und das wir darin leben.

Das Bewusstsein der Problematik der toxischen Männlichkeit und der Geschlechterhierarchien in der Politik muss daher geschärft werden, es bedarf einer geschlechtersensiblen Pädagogik in der Schule und in sozialen Berufen. Dazu müssen Projekte in der Jungenarbeit gefördert werden, die die toxische Männlichkeit in den Blick nehmen. Das Buch liefert dazu Praxisbeispiele für Seminare sowie Methoden.

Am Ende wird es ein Gewinn für alle Menschen sein: Für Männer, die gesünder und länger leben werden, die einen Zugang zu ihren Gefühlen erlernen und für Frauen, die die nicht mehr sexualisiert und wie eine Ware gehandelt werden.

Um einen Überblick über die Breite des Themas zu gewinnen, ein sehr lesenswertes Buch!

Jürgen Döllmann

Stichwörter: Lebenshilfe, Männer heute, Männlichkeit

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