Opa-Karfreitag. Für meinen Enkel N.

Kreuzigung. Gott rettet nicht. Karfreitag war und ist für mich immer ein Tag radikaler Ehrlichkeit des Christentums. Jesus stirbt, aus. Im interreligiösen Dialog mit Juden und Muslimen habe ich oft Unverständnis gespürt gegenüber diesem Gott der radikalen Menschwerdung und Schwäche. Der sogar nicht in das Bild eines großen, rettenden, erlösenden Gottes passt, in den ich mich bergen kann.

Und heute? Ich bin jetzt 72 Jahre. Wenn ich mir klar mache, welche Welt ich/wir meinem Enkel – er ist jetzt 3 Jahre als – hinterlasse, dann wird mir ganz traurig und schlecht. Die bergenden Sicherheiten meiner Kindheit (grüne Wälder und Wiesen, angenehme Sommer, Schnee, Gewitter, Regen …) sind nicht mehr: Überhitzung und Trockenheit, Artensterben, Ernteausfälle, Orkan- und Flutkatastrophen … Wird mein Enkel jemals eine stabile Umgebung in seinem Leben haben? Eine Natur als Heimat? Sicher, geschützt, planbar, politisch stabil?

Ich weiß es nicht. Ich gehöre zu einer Generation, die vieles verbockt hat. Sicherlich nicht jede/e Einzelne. Aber insgesamt haben wir dem Moloch Kapitalismus wenig entgegensetzen können. Wenn die Jungen uns anklagen: Recht haben sie.

Was hat das nun mit Karfreitag zu tun? Alles, meine ich. In der Liturgie der Kirche fand ich das immer bewegend und ehrlich: Das Niederwerfen des Priesters mit dem Gesicht auf dem Boden. Wehrlos, machtlos, am Boden … verbunden mit allem Leid der Welt. Und dazwischen, neben mir Gott: Ebenso wehrlos, schutzlos, machtlos. Gott hilft nicht, weder mir, noch Jesus, noch der Welt. Der Gott der Christen ist kein großartiger Weltenzauberer. Inkarnation (Fleischwerdung) Gottes meint nichts anderes als dies: Gott ist genauso schwach und ohnmächtig wie wir.

Kann ich dem zustimmen? Denn das heißt für mich glauben: Zustimmen zu einer Wahrheit, die größer ist als ich. Und was heißt das für mich? Dazu 3 Fragen, denen wir uns stellen können.

  • Machtlosigkeit: In welchen Ecken meines Selbst halten sich noch Bilder männlicher Größe und Machbarkeit? Wie gut kenne ich meine (heimlichen) Sehnsüchte nach Erfolg, Sicherheit, nicht Verlierer sein?
  • Geschwisterlichkeit: Wie gut halte ich es aus, „einer von vielen“ zu sein? Der vieles mit anderen teilt! Schmerzen, Leid, Freuden, Sehnsüchte, Niederlagen, Dankbarkeit, …. Kann ich das zulassen? und zeigen?
  • Berührung: Wie gut kann ich zulassen, mich von anderen, von deren Trauer, Leid, Freude, Sehnsucht … berühren zu lassen? Auch zeigen, dass ich emotional angerührt, involviert bin. Eben nicht cool und überlegen. Wie zeige ich mein Mit-Gefühl?

Karfreitag ist kein schlechter Tag für ehrliche Antworten. Sind es vielleicht sogar solche, die uns retten?! Vor falschen (toxischen?) inneren Haltungen zu uns und anderen, der Welt gegenüber?! Und damit weiterleben lassen – und handeln, gerade im Angesicht des Todes.

 

Autor: Hans Prömper

 

Bildnachweis: Das Bild der männlichen Pietà stammt aus dem Fotoprojekt Young.Yedi.Josef: © 2004 Thomas Moritz Müller/ scenario wort+bild Esslingen

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