Fastenimpuls -Karfreitag

Grab/verwundet

Seit Tagen bereite ich mich auf diesen Tag vor. Ich werde etwas über mein Verhältnis zu Karfreitag schreiben. Noch einmal lese ich die Verse aus dem Alten Testament (Jesaja 52,13 – 53,12), die für diesen Tag bestimmt sind. Heute klingen sie ganz anders, als in den letzten Tagen.

Ich wähle folgende Zeilen aus dem längeren Text. „Er hatte keine schöne edle Gestalt, so dass wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut.“ (Vers 53,2 – 3) Mein eigenes Erleben unterscheidet sich vom Inhalt der Zeilen.

An wärmeren Tagen reise ich gerne nach Italien an den Comer See. Am liebsten wandere ich zwischen Varenna und Bellano auf dem „Viandante“, – meinem persönlichen Pilgerpfad. Dort gibt es eine winzige Kapelle. Bisher war sie immer verschlossen. Wie gerne würde ich in die Kühle eintreten und länger verweilen. Doch in der Hitze bleibe ich nicht lange, obwohl meine Frau im Baumschatten immer geduldig wartet oder meine Söhne wirklich liebevoll stöhnen: „Och, Papa, nicht schon wieder!“ Es gelingt mir, ein Foto von der Kreuzigungsszene im Innenraum durch den Fliegengitter der Eingangstür zu schießen, eine kleine „Konserve“ für zuhause.

Mich faszinieren Kreuzigungsszenen. Nirgendwo sonst wird ein Mann in der Öffentlichkeit so nackt, verletzlich und verwundet gezeigt. Ich finde den Anblick schön. Ich stehe dazu. Meine Frau und meine Söhne akzeptieren das. Es ist die Sehnsucht, mich ebenso zeigen zu können, mich hinzugeben und von Maria getragen zu werden.

Im Gegensatz zum obigen Text wird Jesu Körper nahezu nie hässlich dargestellt. Meist hat Jesus eine schöne Gestalt, die ich gerne anschaue. Ich finde Gefallen an ihm. Ich beachte ihn. Seine Schmerzen, seine Krankheit, sein Leid sind mir vertraut.

Ich schreibe für Karfreitag, den „Klage-, Kummer-, Trauertag“. Warum müssen wir Deutschen eigentlich immer leiden? In vielen europäischen Ländern ist es der „Heilige Freitag“, in Italien zum Beispiel der Venerdi Santo, in Holland und England sogar der „Gute Freitag“, Good Friday. Heute wage ich mich an die isländische Version, góður föstudagur. Übersetzt heißt das so viel wie, „der Freitag, an dem wir jemanden lieben, an dem wir gut mit jemandem sind“.

Ich möchte meinen Kummer, meine Verwundbarkeit nicht vergessen oder „gut“ reden. Doch ich möchte mich in Liebe diesem Mann hingeben und mich mit ihm verbinden. Ich möchte gut mit mir sein, um an die Liebe zu mir selbst zu kommen. Ich möchte mich daran erinnern, dass die Auferstehung nahe ist.

Thomas Hölscher

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