Es ist wahrscheinlich eine der Erfahrungen, die wir alle teilen und die zum Menschsein einfach dazu gehört: Warten!
Einer dieser Tage an denen der Terminkalender zwar vollbepackt mit Terminen, aber dennoch perfekt organisiert ist…
Mein Motto: Auf das Timing kommt es an! Ein gutes Zeitmanagement ist schon die halbe Miete! Dank guter Planung bin ich rechtzeitig an dem kleinen Bahnhof angekommen Es folgt ein fassungsloser Blick zur Anzeige: „Zug fällt aus“. Der erste Impuls: Wie kann ich die Zeit sinnvoll „nutzen“? …
Über eine Stunde später sitze ich in der Bahn und bin in eine Unterhaltung vertieft. Vor mir sitzt ein junger Mann, der mir von seiner Flucht aus Afghanistan erzählt. Die Trennung von seiner Familie schmerzt ihn. Ich fühle mit und wünsche ihm Mut, Kraft und alles Gute, als er den Zug verlässt, um eine Verwandte zu besuchen.
War das mein ursprünglicher Plan, wie ich die Zeit „nutzen“ wollte? Warten zu müssen fällt mir oft schwer. In der beschriebenen Situation wurde mir wieder einmal bewusst, wie wenig wir die Dinge oft beeinflussen können. Nicht immer führen unsere ursprünglichen Pläne ans Ziel oder sind der beste Weg. Am Bahnsteig warten zu müssen, hat mir die Augen geöffnet: Für meine Umwelt, die Mitmenschen, mein Leben im Hier und Jetzt, abseits meiner durchgeplanten Welt.
Der Advent ist so eine Zeit, in der wir warten müssen. Als Kind war die Spannung und Vorfreude auf die Geschenke und die vielen Süßigkeiten kaum auszuhalten. Jahrzehnte später ist es die Freude auf die Familie, die freie Zeit und die einmalige Stimmung, die mich in der Weihnachtszeit überfällt. Etwas kündigt sich an, das wir mit Worten vielleicht gar nicht fassen können. Gerade im Advent sind oft alle Sinne geschärft.
Ein kleines Bisschen dieser Sensibilität, der offenen Augen und Ohren: Ich versuche mich häufig daran zu erinnern, dass mir dieses Bewusstsein im Alltag häufig fehlt, mir oft aber sehr guttun würde.
Dr. Michael Hermes
Fachreferent für Familie und Generationen
Kolpingwerk Deutschland