Stambolis (Hrsg.), Vaterlosigkeit in vaterarmen Zeiten.

cover_vaterlosigkeit_2Barbara Stambolis (Hrsg.), Vaterlosigkeit in vaterarmen Zeiten. Beiträge zu einem historischen und gesellschaftlichen Schlüsselthema, Beltz Juventa, Weinheim 2013, 216 S. (ISBN 978-3-7799-2864-5)

Bei diesem Buch empfiehlt es sich, mit dem Lesen beim letzten Beitrag zu beginnen. Dort porträtiert Karin Weglage zwei Männer, Vater und Sohn, Hartmut und Steffen Alphei. Hartmut hat seinen eigenen Vater nie erlebt.  Er gehört damit zu den geschätzten 25 Prozent der zwischen 1930 und 1945 geborenen Jungen und Mädchen, die kriegsbedingt vaterlos aufwuchsen. Vor einigen Jahren hat er begonnen, sich damit auseinanderzusetzen und den Spuren der eigenen Vaterlosigkeit durch seine Biografie zu folgen. Er begegnet zwei Wissenschaftlern, Jürgen Reulecke und Hartmut Radebold, die sich mit diesem Thema beschäftigen, macht bei einer Fernsehdokumentation mit. Dadurch gewinnt einen neuen Blick auf sein Leben. Das  hat Folgen für die Beziehung zu seinem Sohn Steffen. Denn dieser lernt dadurch, seinen Vater  und die Beziehung zu ihm besser zu verstehen.

Spät, aber nicht zu spät sind in letzten Jahren die Lebensläufe und Erfahrungen der Kriegskinder wie Hartmut Alphei in den Fokus der Forschung und der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Als Schlüssel zum Verständnis dieser Generation hat sich dabei die erlebte und erlittene Vaterlosigkeit erwiesen, die in den individuellen Lebensläufen, aber auch sozialpsychologisch und kulturell markante Folgen in der deutschen Nachkriegsgesellschaft zeigte und bis heute nachwirkt. Das ist in dem Sammelband von Barbara Stambolis in interdisziplinärer Perspektive eindrucksvoll nachzulesen. Ein wichtiges und im Grunde unverzichtbares Buch, nicht zuletzt für die Männerarbeiter.

Andreas Ruffing

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