Hans-Martin Gutmann, Wir brauchen Väterlichkeit, Ein Plädoyer, Omnino Verlag Berlin, 2024
Der evangelische Theologe (Jg. 1935), Pastor und Theologieprofessor beschreibt in seinem Buch seine Vision von Väterlichkeit. In mehreren Kapiteln nähert er sich über die Themen Väterlichkeit als Lebensgefühl und Väterlichkeit im Zusammenleben mehrerer Geschlechter und Generationen dem Thema Väterlichkeit im politischen Leben. Väterlichkeit heißt für Guttmann die Autorität eines „Guten Vaters“. Das beinhaltet eine Schutzfunktion, einen einfühlenden Kontakt mit den Kindern und der Mutter. Er beschreibt Väterlichkeit als ein Lebensgefühl, dass sich im Leben durch heilsame Erfahrungen mit zugewandten und verantwortlichen Vätern und anderen männlichen Bezugspersonen aufbaut. Heranwachsenden werden lebenswerte, erhaltenswerte und weiter zu entwickelnde Dinge präsentiert. Damit werden Sie in der Erlangung von Selbstständigkeit unterstützt. Ich habe mich allerdings beim Lesen des Buches gefragt, wer diesen Kanon der erhaltenswerten Dinge bestimmt und ob nur Männer und Väter ihn vermitteln können und wie Väter unterstützt werden können, „Väterlichkeit“ vorzuleben.

Guttmann erzählt in diesem Buch von seinem eigenen Leben als Kind, Vater und Großvater. Dazu stellt er Geschichten aus Büchern und Filmen über Vaterschaft und Väterlichkeit vor. So beschreibt er aus dem Buch „Das fliegende Klassenzimmer“ die Person des „Nichtrauchers“ in seiner Rolle als hilfreicher männlicher Erwachsener. Er ist für die Jugendlichen auf eine Weise da, dass er sie in ihrer Weltwahrnehmung ernst nimmt. Väterlichkeit wird dabei wird zu einer Haltung, die hinter oder unter vielen einzelnen Entscheidungen, Handlungen, Verhaltensweisen steht und diese motiviert. Dies kann spektakulär oder alltäglich geschehen, wenn beispielsweise Väter auf Chancen in ihrer Karriere verzichten und für ein paar Jahre für ihre Kinder da sind. Väterlichkeit muss man erfahren haben, um selbst Väterlichkeit mitteilen zu können.
Der Autor betont zwar, dass Einstellungen und Bedingungen unterstützt werden müssen, die es Vätern erlauben, ihre Präsenz in der Hausarbeit und in der Beziehung zu Ihren Kindern zu verstärken. Das konkrete Thema „Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben“ bzw. dem Thema Sorgearbeit fair teilen wird aber nicht konkretisiert.
Das Buch bleibt für mich in seinen Ansätzen verständlich und wichtig. Wenn Männer und Väter, die sich selbstverständlich als Teil einer großen Bewegung empfinden und positionieren und dies mit Väterlichkeit bezeichnen, dann finde ich das gut. Aber eben nicht exklusiv. Für mich bleibt das Buch trotz des guten Anliegens in den binären Geschlechterrollen verhaftet und in der konkreten Umsetzung zum Beispiel beim Thema Vereinbarkeit von Sorge und Beruf aber doch oft appellierend und unkonkret.
Jürgen Döllmann
Stichworte: Männlichkeit, Männer Heute, Vater