Aschermittwoch

Für eine Kultur des Friedens

Seit mehr als 2.000 Jahren gilt der altrömische Grundsatz „Wer Frieden will, muss den Krieg vorbereiten“. Ergebnis: 2000 Jahre immer wieder Kriege, Massenelend und Millionen Tote. Solange Kriege vorbereitet werden, werden sie auch geführt.

Wie wäre es, wenn wir künftig nach dem Motto leben würden:„Wer Frieden will, muss den Frieden vorbereiten“? Unser Bestreben muss sein, in Zukunft den Frieden zu gewinnen und nicht mehr den Krieg.

Eine neue Politik beginnt mit neuem Denken. Das hat uns vor über 30 Jahren Michail Gorbatschow erfolgreich vorgemacht, ein Realpolitiker mit Visionen. Das Ergebnis seiner Politik hat uns dreißig Jahre Frieden in Europa geschenkt. Weil einer den Mut hatte voranzugehen und in einem Umfeld von Hardlinern auf realisierbare Visionen zu setzen, konnten erstmals in der Menschheitsgeschichte ganze Waffensysteme einfach verschrottet werden. 80 Prozent aller Atomwaffen wurden vor etwa 30Jahren verschrottet.

Und heute? Kein Gorbatschow weit und breit. Aber schon wieder ein Denken in der alten Kriegslogik. Putin will weitere Gebiete in der Ukraine, aber auch anderswo erobern. Er sieht sich in seinem imperialistischen Traum in der Nachfolge der Zaren und in der Nachfolge der alten Sowjetunion. Und das Schlimmste dabei ist: Er wird vor allem von christlichen Kirchenführern wie vom orthodoxen Patriarchen Kyrill dabei unterstützt, der vom „Heiligen Krieg“ faselt. Eine schlimmere Gotteslästerung wie das Wort „Heiliger Krieg“ gibt es nicht. Und so kann Putin mit kirchlicher Unterstützung sogar mit dem Atomkrieg drohen. Ein Kirchenfürst als Messdiener Putins, das ist die geistige Katastrophe hinter der Katastrophe.

In unserem gemeinsamen Buch „Kommt endlich zur Vernunft – Nie wieder Krieg“ bezeichnete Gorbatschow die NATO-Osterweiterung nach 1990 als großen Fehler. Wir müssen uns fragen: Wie wirkt unsere Sicherheitspolitik auf die andere Seite? Spätestens im Atomzeitalter muss kluge Politik verstehen, dass Sicherheit für uns auch immer die Sicherheit des Anderen sein muss. Denn wir alle wären die Opfer eines Atomkriegs. Dass der Westen die Sicherheitsinteressen der Ukraine verteidigen muss, auch militärisch, ist für mich als Pazifist und Christ selbstverständlich. Alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung. Wir sind solidarisch mit der Ukraine.

Aber als Pazifist und Christ weise ich ebenso darauf hin, dass auch 144 Millionen Russen Sicherheitsinteressen haben. Darauf hat Michail Gorbatschow in vielen Gesprächen mit mir immer wieder gepocht, auch deutsche Politiker wie Helmut Schmidt und Helmut Kohl haben darauf hingewiesen. Das tat sogar Henry Kissinger bei der Feier zu seinem 100. Geburtstag.

Die Sicherheitsinteressen Russlands anzuerkennen, scheint mir die einzige Möglichkeit, möglichst rasch zu einem Waffenstillstand und schließlich zu Friedensverhandlungen zu kommen und damit zu einem Ende des Leids für die ukrainische Bevölkerung. Dasselbe gilt für die Bevölkerung im Gaza. Voraussetzung dort ist der Wille zu einer Zwei-Staaten-Lösung.

(Autor: Franz Alt)

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