Vor wenigen Tagen saß ich abends vor dem Fernseher und sah einen Fantasy-Spielfilm. Neben mir auf dem Sofa lag unsere 17-jährige Tochter, die eingeschlafen war – nach einem stundenlangen internationalen Videomeeting am Laptop. Der Film erzählte eine moderne Variante des Märchens „Schneewittchen“, die – wie allgemein bekannt – in einen sehr langen und tiefen Schlaf fiel. Schneewittchen und meine Tochter, übrigens auch bildhübsch, schliefen also gleichzeitig, getrennt nur vom LCD-Panel. Meine Gedanken pendelten zwischen Film und Realität hin und her. In der Hollywood-Version beugte sich der weinende Prinz zu Schneewittchen hinunter. Seine Tränen benetzten ihre Augen. In diesem Augenblick rührte sich meine Tochter und murmelte unvermittelt: „Papa…, ich bin so froh, dass ich bei euch sein darf“, drehte sich wieder um und schlief weiter. Schlagartig wurde mir klar, was sie gemeint haben könnte. In vielen Gegenden der Welt herrscht Unsicherheit, Not, Krankheit und Tod. Doch hier, in diesem Land mit seinem Gesundheitssystem, in der Wohnung mit Mutter und Vater, fühlt sie sich zu Hause – an einem sicheren Ort.
Jeder Mensch braucht einen sicheren Ort, an dem nicht nur sein Überleben gesichert ist, sondern wo er furchtlos schlafen kann. Um die Schlafenden zu schützen, müssen die anderen wachsam sein. Sonst ist die Welt bald kein Zuhause mehr.
Jürgen Kura: Ich bin in Köln geboren und aufgewachsen, habe auch in Bochum und ein Jahr in Berlin gelebt. Ich bin gelernter Fotograf und arbeite als TV-Journalist und Filmemacher. Ich bin verheiratet und habe eine Tochter. Durch mein Vatersein hat sich mein Leben und meine Sicht auf die Welt verändert. Im Jahr 2010 habe ich mit anderen den Verein Väter in Köln e.V. gegründet, dem ich seitdem vorsitze. Mit unserer Online-Väterarbeit bieten wir gerade während der Corona-Pandemie den Vätern virtuelle Vernetzung, Informationen und Freizeitgestaltung an.