Rob Whitley, Männerthemen und psychische Gesundheit von Männern, Springer Verlag, Berlin 2023
Männer machen etwa 75 % bis 80 % aller vollendeten Suizide in westlichen Ländern aus. Ebenso sind die Raten von Störungen in Zusammenhang mit einem Substanzkonsum bei Männern signifikant erhöht, wobei etwa drei von vier Fällen männlich sind. Daher ist es wichtig, die Fakten zu dokumentieren und die zugrunde liegenden Ursachen der vielen psychosozialen Probleme zu diskutieren, die Männer überproportional betreffen. Das Fachbuch konzentriert sich auf die breiteren sozialen Determinanten der psychischen Gesundheit von Männern mit einem Fokus auf den sozialen Kontext und kulturelle Einflüsse. Studien haben ergeben, dass Medien Männer eher dafür kritisierten, dass sie über ihre Depression schweigen und zögern, Hilfe zu suchen, anstatt Männer zum Handeln zu ermutigen. Gesellschaft, ihre Institutionen und insbesondere die Gesundheitsdienste müssen sich ändern, um die vielen psychosozialen Probleme, die Männer plagen, erfolgreich anzugehen.
Suizid kann alle Bevölkerungsgruppen betreffen und keine Gruppe von Männern ist vor Suizidgefahr gefeit. Es gibt Hinweise darauf, dass einige individuelle Risikofaktoren bei Männern im Vergleich zu Frauen häufiger und intensiver auftreten. Insbesondere weist die Forschungsliteratur darauf hin, dass drei entscheidende Risikofaktoren möglicherweise zu höheren Suizidraten bei Männern beitragen, nämlich: Erstens Beschäftigungsprobleme, zweitens Familienstand, Scheidung und Familienprobleme und psychische Störungen und drittens Probleme im Zusammenhang mit Substanzkonsum. Arbeitslosigkeit und Arbeitsplatzverlust können schwerwiegende finanzielle Folgen haben, die sich sehr stark auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Familie auswirken können. Dieser finanzielle Verlust kann mit anderen Faktoren interagieren und das Selbstmordrisiko für Männer erhöhen. Eine Möglichkeit, wie dies geschehen kann, ist durch sozialen Abstieg und eine anschließende Verringerung des sozioökonomischen Status. Dies bedeutet, dass der Ehemann oft gezwungen ist, seine psychologischen, sozialen und finanziellen Ressourcen zu mobilisieren, um mit einer plötzlichen und ungeplanten Veränderung fertig zu werden. Viele Männer, insbesondere Männer mit niedrigem Einkommen, verfügen möglicherweise nicht über diese Ressourcen, was zu Verwirrung und Not führen kann. Durch eine Konstellation von verschiedenen Risikofaktoren kann so das Suizidrisiko erhöht werden. Dazu gehören typischerweise plötzliche und unerwartete Übergänge, wie Arbeitsplatzverlust und Beziehungsabbruch, die die Suizidalität von Männern viel stärker beeinflussen als die von Frauen.
Insgesamt zeigen Untersuchungen aus verschiedenen Ländern, dass Männer mit einer psychischen Erkrankung viel weniger wahrscheinlich öffentliche psychische Gesundheitsdienste in Anspruch
nehmen als Frauen mit einer psychischen Erkrankung. Die gesamte Infrastruktur der psychischen Gesundheit ist im Allgemeinen nicht auf die Bedürfnisse von Männern eingestellt. Männer in psychischer Not bevorzugen auf „Handeln“ ausgerichtete – lösungsorientierte, informelle, gruppenorientierte- Interventionen.
Bezahlte Arbeit ist zentral im Leben der meisten erwerbstätigen Männer in westlichen Ländern. Die Männer ziehen häufig Status und Identität primär aus ihrer produktiven Rolle des Ernährers. Arbeitslosigkeit kann für Männer auch den Verlust aller positiven sekundären Vorteile der bezahlten Arbeit bedeuten, einschließlich des Verlusts von Lebenssinn, Struktur, Status, Gemeinschaft.
Insgesamt legen all diese Ergebnisse nahe, dass das Scheitern als „Versorger“ für die eigene Familie einen bedeutenden Risikofaktor für schlechte psychische Gesundheit bei Männern darstellt, da dies finanzielle Probleme verursachen kann, die sich negativ auf die gesamte Familie auswirken. Dies könnten auch die erhöhten Raten von psychischer Belastung bei Arbeitern mit niedrigem Status erklären, die in der Regel niedrigere Löhne erhalten und möglicherweise weniger Zugang zu Ersparnissen, Investitionen und Leistungen haben.
Oft haben Männer längere und ungünstige Arbeitszeiten. Dies bedeutet, dass sie von ihrer Familie und Freunden getrennt sind, und sie arbeiten auch in riskanteren Berufen, was bedeutet, dass sie gefährlicheren psychosozialen oder physischen Bedingungen am Arbeitsplatz ausgesetzt sind.
Darüber hinaus kann eine erfolgreiche Bildungserfahrung eine solide Grundlage für das Leben schaffen und Türen zu Beschäftigung, sozialer Integration und finanziellem Erfolg öffnen. Im Gegensatz dazu kann ein Mangel an Bildung das Risiko für Arbeitslosigkeit, eine daraus resultierende finanzielle Belastung, Einsamkeit und Entfremdung von der Mainstreamgesellschaft erhöhen. Dies kann erhebliche seelische Schmerzen und psychosoziale Belastungen verursachen, die wiederum zu Hoffnungslosigkeit und existenzieller Verzweiflung führen können. Ein spannendes und für die Thematik weiterführendes Buch!
Jürgen Döllmann
Stichworte: Männergesundheit