Richard V. Reeves, von Jungen und Männern, Warum der moderne Mann Probleme hat, warum das wichtig ist und was man dagegen tun kann, Xenomoi Verlag, Berlin 2023
John Steinbecks Klassiker „Von Mäusen und Menschen“ stand wohl für den Ursprung des Buchtitels. Der amerikanische Politikwissenschaftler analysiert die amerikanischen Verhältnisse von Jungen und Männern. Er beschreibt als Vater von drei Söhnen, wie er durch die Erziehung seiner Söhne auf die sozialen und systembedingten Benachteiligungen aufmerksam wurde, mit denen sie beim Aufwachsen konfrontiert waren. Reeves Buch ist ein Versuch, die Probleme, mit denen Jungen und Männer in den wichtigsten Bereichen – Bildung, Arbeit und Familie – konfrontiert sind, sowie mögliche Strategien zur Verbesserung der Ergebnisse für sie darzulegen. „Wir müssen Männern helfen, sich an die dramatischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte anzupassen“, argumentiert Reeves, „ohne von ihnen zu verlangen, dass sie aufhören, Männer zu sein“.
Es gibt immer mehr Jungen und Männer, die es in Schule und Beruf schwer haben. Wir können zwei Gedanken gleichzeitig hegen: Wir können uns für die Rechte von Frauen einsetzen und gleichzeitig Mitgefühl für gefährdete Jungen und Männer zeigen. Den Männern an der Spitze geht es immer noch gut, aber den Männern im Allgemeinen geht es nicht gut, vor allem wenn sie schwarz sind. (männlich, arm und afroamerikanisch) Wir müssen den Männern helfen, sich an die dramatischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte anzupassen, ohne von ihnen zu verlangen, dass sie aufhören, Männer zu sein. Richard V. Reeves macht diese These an vielen Beispielen aus Schule und College, dem Arbeitsmarkt und dem Familienleben fest. Bei Jungen wachsen in der Pubertät die Gehirnbereiche, die für Impulskontrolle und Planung zuständig sind, später als bei Mädchen. Daher sollten Jungenspäter eingeschult werden.
Die tiefen Risse auf dem Arbeitsmarkt sind nicht zwischen Männern und Frauen, sie bestehen zwischen weißen und schwarzen Arbeitnehmern und zwischen der Mittelschicht und der Arbeiterklasse. Wieso? In Berufen, die für die Automatisierung am anfälligsten sind, sind mehr Männer beschäftigt. Und es fehlt Männern oft an Fähigkeiten im Bereich der Soft Skills. Jetzt ist es wichtig, Männer in den sogenannten HEAL (Gesundheit, Bildung, Verwaltung und Alphabetisierung) Bereichen zu fördern. Viele Männer haben Mühe, sich auf die Entwicklung, dass Frauen in der Schule, im College und auf dem Arbeitsmarkt aufgestiegen sind, einzustellen. Die gesellschaftliche Institution der Vaterschaft benötigt dringend ein Update, um sich mehr auf die direkten Beziehungen zu den Kindern zu konzentrieren. Außerdem treten schwarze Männer mit weniger Bildungsabschlüssen in die Arbeitswelt ein als fast alle anderen demographischen Gruppen. Sie sind in vielen Bereichen des Arbeitsmarktes einem größeren Diskriminierungsrisiko ausgesetzt und werden häufiger inhaftiert.
Was muss jetzt getan werden?
Erstens brauchen wird ein männerfreundliches Bildungssystem, dazu gehört ein standardmäßig zusätzliches Jahr für Jungen vor der Einschulung. Dazu braucht es mehr Einstellungen von männlichen Lehrern und praktische Bildungsprogramme. Dazu väterfreundliche Beschäftigungsmöglichkeiten und eine positive Vision von Männlichkeit.
Das Buch ist sehr auf amerikanische Verhältnisse geschrieben. Oft wird meiner Meinung nach sehr oberflächlich argumentiert: Wie viele Väter wären bereit, weniger Stunden zu arbeiten, wenn sie dadurch weniger Geld verdienen würden? Und wenn sie weniger arbeiten würden, würden viele diese zusätzliche Zeit in die Familie investieren? Gefallen hat mir in der Betrachtung der sozialen Dimension von Männern. Das Buch lobt die traditionelle Familie und bleibt sehr appellativ und die Umsetzung seiner Ideen bleibt für mich oft vage.
Jürgen Döllmann
Stichworte: Männer Heute, Männerarbeit