Fischer, Männermacht und Männerleid.

Martin Fischer, Männermacht und Männerleid. Kritische theologische Männerforschung im Kontext genderperspektivierter Theologie als Beitrag zu einer Gleichstellung der Geschlechter (Edition Ethik 2). Edition Ruprecht, Göttingen 2008. ISBN 978-3-7675-7122-8. 314 Seiten, € 42,90.

 

„… im Kontext genderperspektivierter Theologie“ – schon aus dem Titel lässt sich heraushören, dass die theologischen Ausführungen v. a. der Kontext bzw. der Weg sind für das Anliegen des Autors: einen „Beitrag zu einer Gleichstellung der Geschlechter“ zu leisten und speziell gegenüber einer einseitigen Sicht in herkömmlicher Theologie, Feminismus und Gesellschaft einen differenzierteren Blick auf Männer und „Männerleid“ zu eröffnen.

Beim Lesen störte den Rezensenten v. a. der „Streifzugcharakter“: Fischer kommt von einem Thema zum nächsten, ohne dass ein bestimmter Bereich systematisch abgearbeitet würde. So ist vieles nur beispielhaft dargestellt, anderes steht ziemlich unverbunden nebeneinander; z. B. werden die Ausführungen in 3.2 zu Gen 2 – 3 im Rest des Kapitels nicht mehr aufgenommen. Auch eine gründliche Synthese aller Einzeluntersuchungen zum Schluss des Buches vermisst man.

Auf der anderen Seite muss man aber Fischer zugestehen, dass seine streifzugartigen Gedankengänge für den Leser durchaus nachvollziehbar sind. Und er kann erzählen! Das Buch lässt sich – obwohl eine Dissertation aus der evangelischen systematischen Theologie – gut lesen, und en passant lernt man etliche Problemstellungen der Geschlechterforschung kennen.

Jetzt aber zum Inhalt – oder besser: zu den Inhalten des Buches. Nach einer Einführung gibt Fischer einen Überblick über die Entwicklung der Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung. Dabei klärt er die Grundlagen und Problemlagen seiner Arbeit.

Die zwei Hauptkapitel des Buches sind der „Männermacht“ und dem „Männerleid“ gewidmet. Fischer setzt jeweils – dem protestantischen Erbe verpflichtet – mit dem Blick auf eine Bibelstelle ein und kommt dann zu Auslegungen dieser Stelle und zu anderen theologischen Ausführungen, die Männer (und Frauen) auf bestimmte Geschlechtsmuster festschreiben wollen – was er dann kritisiert.

Fischer wendet sich – vielleicht die Kernaussage des Buches – gegen ein „ontologisch begründetes Eigenschaftsdenken“, also dass Männern bzw. Frauen bestimmte Eigenschaften qua biologischem Geschlecht zugeschrieben werden. Z. B. – darum geht es im Kapitel zur „Männermacht“ – dass der Mann der Frau von Natur aus übergeordnet sei und die Frau sich dem Mann zu unterwerfen habe. Fischer gibt Einblicke (Einblicke und eben keinen systematischen Überblick), wie diese Ansicht durch Theologen und Theologien gestützt wurde – etwa in der Auslegung von Gen 2 – 3 und der Anthropologie und Trinitätstheologie Karl Barths. Er beschäftigt sich weiterhin ausführlich mit der feministischen Kritik daran. Schließlich bemüht er sich um eine enthierarchisierte Trinitätstheologie: „Die Trinitätslehre kann ohne das alles dominierende ‚Herr-Sein’ des Vaters formuliert werden“ (S. 177), von dem in einer Analogiebildung frühere Theologen eine Hierarchie des Mannes über die Frau abgeleitet hatten.

In ähnlicher Weise geht Fischer im Kapitel zu „Männerleid“ von Eph 5,25 aus, wo eine Hingabe (auch des eigenen Lebens?) der Männer für ihre Frauen gefordert wird. Fischer macht hier eine Viktimisierung der Männer aus, die etwa im Militärwesen auf eine „Aufopferung“ für das Vaterland getrimmt wurden. Dürfen umgekehrt Männer auch Opfer von Gewalt sein? Dass das de facto geschieht (und nicht nur in Einzelfällen), ist vielfach noch nicht anerkannt – wofür Fischer auch manche feministische Kreise kritisiert. Denn hier kann sich in einer genderbewussten Theologie auch die Deutung des Todes Jesu verzerren.

Welches Fazit soll man zu dem Buch ziehen? Es ist ein erster Versuch, Männerforschung und eine männliche Genderperspektive mit der systematischen Theologie zu verbinden. Fischers Stärke ist jedoch nicht eine flächendeckende Bearbeitung einer Problematik; vielmehr vermag er aufzuzeigen, wie sich eine einseitige Genderperspektive (die es auch in der feministischen Theologie teilweise gibt!) verzerrend auf die Theologie auswirken kann. Und er schlägt Brücken zwischen Themen der Theologie und Themen heutiger Männerforschung, gerade mit seinen umfangreichen „Exkursen“ u. a. zur Vatererfahrung und zu Gewalterfahrungen von Männern. Insgesamt also eine Fundgrube, eine Inspiration für weitere Forschung und auch ein geradezu politisches Werk!

 

Martin Hochholzer

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