4. Fastensonntag

„Ein friedliches Miteinander wäre gut.“ sagt der Familienvater auf meine Frage, was ein lohnendes Ziel für diesen Beratungsprozess ist. In der katholischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen beraten wir unter anderem Paare, die sich gerade getrennt haben und nach einem guten Weg, nicht zuletzt für ihre Kinder, suchen. Wie gelingt es, dem Frieden dienlich zu kommunizieren, wenn man verletzt, enttäuscht und angespannt ist? Oft sagt man, der Frieden beginnt in den konkreten menschlichen Beziehungen. Wie schwierig das sein kann, wird in diesen Beratungsprozessen deutlich.

Mein Eindruck ist, es braucht noch einen Schritt vor der Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen: Der Frieden beginnt in dem Verhältnis „ich zu mir“. Wie ist das gemeint? Wenn ich Kränkendes, Grenzverletzendes oder Bedrohliches erlebe, wird es zuverlässig in mir Wut und aggressive Impulse geben. Das ist gut so. Gehört es doch unverzichtbar zum Überlebensdrang eines jeden Menschen. Wir kennen aber auch die Kehrseite. Die Wut kann blind sein, die Aggression in destruktive, zerstörerische Handlungen führen. Gerade Männer haben oft unbewusst Angst vor ihrer Wut und Aggression bzw. deren Folgen.

Ich möchte dieses große Thema hier sehr praktisch und einfach angehen: Wenn ich Wut in mir bemerke, kann ich bei mir denken: „Ich bin wütend.“ Ich kann aber auch zu mir sagen: „Ah, da ist etwas Wütendes in mir.“ Ist das nur eine Wortspielerei oder macht das einen Unterschied? Es lohnt einen Selbstversuch! Die Psychologie nennt dieses Vorgehen Partialisieren. Partialisieren schafft innerlich Freiraum, erhöht die Möglichkeit zur Selbststeuerung.

Vielleicht magst Du die folgende Übung in der kommenden Woche einige Male ausprobieren und eigene Erfahrungen sammeln:

Ich merke, da ist etwas Wütendes (Ängstliches, Aggressives…) in mir. Ich nehme mir Zeit und kann genauer in mich hineinspüren: Wo macht sich das Wütende in meinem Körper besonders bemerkbar? Bleibt es gleich oder verändert sich etwas an dem Wütenden in mir, wenn ich meine Aufmerksamkeit dorthin lenke? Welche Gedanken, z.B. Gewaltphantasien, denkt mein Kopf gerade? Gibt es neben dem wütenden Anteil in mir noch etwas anderes? Ist da etwas in mir, das beobachten kann, was in mir vorgeht? Für diesen achtsamen Umgang mit den eigenen Impulsen eignen sich zunächst Anlässe, die nicht zu heftig sind. Schwierig wird die Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung, wenn die Wut mich ganz überschwemmt, wenn das innere Gefühl eher ist: „Ich bin Wut“ als „Ein Teil von mir ist wütend.“ Dann braucht es Zeit und Übung, um aus der inneren „Überschwemmung“ wieder rauszufinden. Das ist eine stille, aber wichtige Friedensarbeit.

Das Evangelium des heutigen Sonntags (Johannes 3,14-21) spricht von der Liebe zum Licht. Vielleicht ist genau diese innere Arbeit eine Form, dieses Licht in sich zu nähren.

Benedikt Kremp

Related Posts