Nicht fasten!
Ehrlich gesagt: so richtig gefastet, also weniger Süßes und Salziges, weniger Alkohol und weniger essen z.B. freitags in der Fastenzeit, habe ich schon länger nicht mehr. Vielleicht ist das irgendwie nicht gut, denn von allem weniger zu konsumieren, täte meinem Körper, der Natur und vielleicht auch meinem Geist gut. Aber trotzdem: irgendwie ist mir im Moment nicht nach Fasten. Im Gegenteil. Ich habe das Gefühl, ich muss mich eher stärken für das, was vor uns liegt. Ich muss Nahrhaftes zu mir nehmen, weil der Weg sonst zu weit wäre (vgl. 1 Kön 19,7). Ich habe – so wie Jesus nach seiner Zeit in der Wüste – Hunger (Vgl. Mt 4,2). Hunger nach Leben, Hunger nach Zukunft, Hunger auf Zuversicht.
Besonders nachdem Benedikt XVI. gestorben war, hatte ich das spontane Gefühl, die Zeit des Fastens ist nun endgültig vorbei. Mein halbes Theologenleben habe ich im Schatten dieses Mannes verbracht. Zusammen mit Johannes Paul II. hat er in der Zeit, in der ich mich als junger Theologe entwickelte, das kirchliche Lehramt nicht nur maßgeblich geprägt, sondern auch zu verhindern versucht, dass wir das freie Denken als Gläubige, als Theolog*innen lernen und praktizieren. Zum Glück hatte ich viele Lehrer (ja es waren fast ausnahmslos Männer damals), die mir das selbstständige, auch theologische, Denken beigebracht haben, viele Konzils-Euphorisierte darunter. Doch der lange Schatten, den die beiden mächtigsten Kirchen-Männer des 20. Jahrhunderts geworfen hatten, hatte sich auf mein Gemüt gelegt und verschwand eigentlich erst, als Franziskus Papst wurde. Ich traute meine Ohren nicht, als ich seinen neuen Namen vernahm und seine ersten Worte als Papst hörte, das einfache „Buena Sierra!“ Da schwante mir: die Zeit des inneren Exils ist jetzt vorbei: „Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit“.
Seitdem kann ich nicht mehr fasten. Denn das Ringen um eine gute Zukunft des christlichen Glaubens und der Gemeinschaft der Gläubigen, der Koinonia, ist nicht vorbei. Im Gegenteil. Die Beharrungskräfte einer revisionistischen Theologie sind enorm. Die Zeit-Zuflucht in vermeintlich heile Zeiten der Kirche ist in manchen Kreisen und besonders in der römischen Kirche, durchaus aktuell. Wer jetzt dazu aufruft, zu fasten, kommt bei mir in den Verdacht, er wolle mich schwächen, damit ich nicht die Vision eines befreienden Glaubens hege, ich mich nicht mit den Marginalisierten in Kirche und Gesellschaft solidarisiere und nicht dafür eintrete, die zerstörte Natur als Subjekt des bedingungslosen Schutzes zu betrachten.
Nein, jetzt ist nicht die Zeit zum Fasten. Jetzt ist die Zeit der Tat, des Bekenntnisses, und ja, auch immer noch des Widerspruchs. Aufbegehren gegen alles, das die Christ*innen klein und dumm halten will, und entschiedenes Eintreten für Freiheit, Gerechtigkeit und die Heiligkeit der Natur, das ist meine Challenge dieser Fastenzeit. Und darüber hinaus.
Dr. Andreas Heek
Hinweis auf das Männerwochenende:
31.03. – 02.04.2023, Kloster Jacobsberg
Aus-Zeit für mich
Männerwochenende Kloster Jacobsberg
Inspirationen zu Selbstliebe und Spiritualität.
Was macht uns lebendig? Was gibt unserem Leben Tiefe und Richtung? Wie können wir mehr in Überstimmung mit uns selber leben?
Das Wochenende auf dem Jakobsberg bietet Impulse für Geist und Seele. Es geht um Austausch und Eigenzeiten. Offene Gespräche unter Männern wechseln mit Spaziergängen und Besinnung. Es gibt Raum für Stille, Natur, auch gemeinsames Beten.
- Gesprächsrunden mit anderen Männern – zu Lebensfragen und Spiritualität
- Angeleitete Eigenzeiten zur Selbsterkundung – zwischen Konflikten und Wünschen
- Spaziergänge und Impulse für Geist und Seele – Texte, Gedichte und Gebete, Natur, vielleicht auch gemeinsames Sprechen und Singen, stille Zeiten
Leitung: Dr. Hans Prömper, Erwachsenenbildner und Theologe, Universität des 3. Lebensalters Frankfurt
Kosten: Verpflegung, EZ – Du/WC: 139,50 €, zusätzlich Kursgebühr: 50 €
Anmeldung: Bildungsstätte Jakobsberg, belegung@klosterjakobsberg.de
Telefon: 06725-304-111, Fax: 06725-304-115
Internet: https://bistummainz.de/einrichtungen/kloster-jakobsberg/aktuell/termine/veranstaltung/Inspirationen-zu-Selbstliebe-und-Spiritualitaet—am-31.03.-bis-02.04.2023-Veranstaltungsnummer-24385
