Bambey/ Gumbinger, Neue Väter?

Bambey, Andrea, Gumbinger, Hans-Walter, Neue Väter? Rollenmodelle zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Frankfurt/New York (Campus) 2017

Knapp ein Drittel der in der empirischen Untersuchung analysierten Väter lassen sich der Gruppe der titelgebenden „neuen Väter“ zuordnen. Wie in vielen solcher Studien werden auch hier die Väter in bestimmte Gruppen eingeteilt. Der „egalitäre Vater“ ist demnach derjenige, der sich in der Paarbeziehung, im Engagement im familialen Haushalt und bei der Kindererziehung in gleicher Weise wie die Mütter einbringt. „Nur“ ein Drittel, bedauern die AutorInnen implizit. Sie haben auch Vater-Typen herausgearbeitet, die derzeit sozial unerwünscht sind, aber noch längst nicht am „Aussterben“ sind: „Fassadenhafte Väter“ (25 %), partnerschaftliche Väter (6 %), „randständige Väter“ (10 %), „distanzierte Väter“ (18 %) und „unsichere Väter“ (13 %). Alle jenseits der „egalitären Väter“ sind mehr oder weniger geprägt von einem traditionellen Vaterbild, das sie als eher randständig im Familienleben, auf die Berufsarbeit konzentriert und bei der Hausarbeit unengagiert beschreiben, mit Ausnahme des partnerschaftlichen Vaters, der insbesondere im Verhalten seiner Partnerin gegenüber als aufgeschlossen und auf Gleichberechtigung achtend beschrieben wird. Vor allem zeigen aber diese Zahlen aus einer mittelgroßen statistischen Stichprobe (n=1524), dass die Väterlandschaft vor allem eines ist: bunt. Es existieren viele Vater-Typen nebeneinander, und das wird wahrscheinlich auch noch einige Zeit so bleiben. Und das hängt vor allem mit etwas zusammen, das ich als „evolutive Trägheit“ bezeichnen möchte. Aber dazu später.

Der Befund einer sich zäh haltenden Buntheit väterlicher Rollenwahrnehmung überrascht indes nicht. Ähnliche Ergebnisse brachten beispielsweise die Männerstudien im Auftrag der evangelischen und katholischen Männerseelsorge schon 1998 und 2008 zutage, auf die sich die AutorInnen auch beziehen. Und doch: ein weiterer „Modernisierungsschub“ zeichnet sich ab. In den Beschreibungen der AutorInnen kann man eine gewisse Ungeduld angesichts der Veränderungen im Selbstbild von Männern als Väter erkennen. Auch die Bezeichnung der anderen als „egalitären“ Vatertypen ist eher kritisch und motiviert die so bezeichneten Väter sicher nicht zur Verhaltensänderung. Eine empirische Studie muss ja vielleicht auch keine pädagogische Handreichung sein.

Eines ist aber sicher vonnöten, dies zeigt der Befund: Geduld. Denn die Veränderungen in dem, was gute Väterlichkeit ausmacht, vollziehen sich evolutiv, und das heißt vor allem, langsam. Dies bedeutet: lange Zeit sich bewährt habende habituelle Muster väterlicher Verhaltensweisen bewähren sich angesichts mühsam durchdeklinierter Gleichstellungskämpfe der Frauen gegenüber den Männern nun nicht mehr und müssen verändert werden. Väter, die sich allein als Ernährer der Familie verstehen, und meinen, sich weder um die emotionalen Bedürfnisse der Kinder und der Partnerin, noch um die anstehenden Hausarbeiten kümmern zu müssen, werden es zunehmend schwerer haben, ihre Partnerin an sich zu binden, wenn diese weiterhin ihre ererbten Rollenmuster hinterfragt, ob beispielsweise nur die Mutter „richtig“ die emotionalen Bedürfnisse der Kinder stillen kann. In der Folge werden sich solche, nicht egalitären Männer nicht mehr fortpflanzen können, weil ihr „Typ“ nicht mehr gefragt ist. Vielleicht sollten wir die rasant fortschreitende technische Entwicklung nicht auf den Menschen übertragen und lieber der „evolutiven Trägheit“ vertrauen. Aber wie wir aus der Natur wissen: langsames Wachstum erhöht die Stabilität.

Handwerklich arbeiten die AutorInnen versiert mit quantitativen und qualitativen empirischen Verfahren. Dies ist enorm aufwendig, aber auch gewinnbringend, da die standardisierten clusterförmigen Fragen mit ausgewählten Interviews verknüpft, die dann wiederum extensiv analysiert werden. Das erhöht die Plausibilität der hier beschriebenen Ergebnisse. Auch werden die Partnerinnen der befragten Väter in die Untersuchung einbezogen, was dem systemischen Ansatz in der Familienforschung entspricht.

Besonders interessant ist dann noch die Darstellung neuerer theoretischer Modelle zur Paar- und Familienbildung am Ende des Buches. So konstatiert beispielsweise Axel Honneth, Leiter des Frankfurter „Instituts für Sozialforschung“ in seiner Theorie der „Liebe als soziale Anerkennung“, dass es im Laufe der Geschichte zu einer „Entgegensetzung von Vertragsbeziehung und Gefühlsgemeinschaft“ gekommen sei, die eine Beziehung zwischen Mann und Frau auf Augenhöhe erst möglich gemacht habe. Auch Kai-Olaf Maiwalds Konzept von „Beziehung auf der Grundlage von Kooperation“ zeigt, wie eine Veränderung lang tradierter Rollenmuster geschehen kann: indem sich die Liebespartner als Team verstehen, für das es keinen Chef oder keine Chefin gibt. Und schließlich werden Erkenntnisse aus der Bindungsforschung in der Triade Vater-Mutter-Kind als wichtige psychologische Variablen aufgezeigt, damit familiale Beziehungen gelingen können.

Zugegeben: diese Modelle sind in der Lebenspraxis anspruchsvoll, setzen sie doch Reflexion und die Fähigkeit zur Selbstkritik voraus, die wiederum Voraussetzung für konstruktive Kommunikation sind. Die auf gegenseitiges Liebesgefühl basierende familialen Bindungen sind somit aber auch nicht ohne Risiko. In dem Maße, wie materielle Abhängigkeit der Liebespartner voneinander abnimmt und Kommunikation auf Augenhöhe zunimmt, werden die Autonomiespielräume größer und manchmal eben auch konsequent zu Ende gedacht und gelebt, was Familie zu einem fragilen System macht. Die hohen Scheidungsraten sprechen in dieser Hinsicht eine eigene Sprache. Dies ist aber das unhintergehbare „Recht der Freiheit“ (Honneth 2011), das letztlich aber der Preis für die Kultur der Gleichheit von Mann und Frau ist.

So viel ist aber sicher: von einer stärkeren Familienorientierung der Väter profitieren trotz aller Risiken alle Familienmitglieder. Am meisten die Kinder. Die vorliegende Studie kann alle Väter darin ermutigen, sich aktiv im Familienleben zu engagieren.

Dr. Andreas Heek

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