Repila, Der Feminist

Iván Repila, Der Feminist, Suhrkamp Verlag, Berlin 2020

Der Roman beginnt mit einer Feststellung: Ich bin der größte Feminist der Welt. Trotzdem habe ich meine Widersprüche. Wenn ich an Feminismus denke, denke ich an meine Schwester und meine Mutter. Gleichzeitig fühlt er sich durch den Feminismus in seiner Männlichkeit angegriffen. So lernt er bei einem Vortrag eine neue Freundin kennen. In seinem Roman durchläuft der Ich-Erzähler mit ihr eine Art feministischen Crashkurs. Dadurch verändert sich sein Blick auf die Welt mit ihren Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten.

Wie kann er die Frauen am besten unterstützen? Ein provozierendes Gespräch mit seiner Mutter bringt ihn auf eine Idee. Sie weiß, dass sie um ihr Leben betrogen wurde (nur Mutter, Gattin, Hausfrau). Na wir Männer wir können nicht machen was ihr macht. Das haben wir nicht im Blut. Ihr seid programmiert, sich um andere zu kümmern (ist wohl im Roman ironisch gemeint).

Welche Folgerungen zieht er mit anderen Männern? Sie legen in sozialen Netzwerken falsche Profile an, alle Kanäle werden mit falschen Nachrichten überflutet. Ziel: Die Frauen sollen wissen, wer hier das sagen hat. Anzeigen wegen Belästigung und Anstiftung zur Gewalt sind die nächsten Schritte.

In dem Buch kommt es danach zur nächsten Stufe: Die Grenze der Gesetze wird übertreten. Es kommt zu einer Art Blutschwur. Vom passiven Widerstand zum aktiven Kampf. Diesen hat er provoziert. Aber mit welchem Recht weiß der Protagonist des Romans um die Notwendigkeiten des Kampfes? Er maßt sich das Recht an, die Frauen zur Tat zu drängen, als wüssten sie nicht selber, was sie machen müssten. Er schreibt: Ihr solltet wütend sein. Ihr solltet rausgehen und jeden Mann einen Kopf kürzer machen, der euch abschätzig behandelt. Das führt aber nicht die gewünschten Reaktionen bei den Frauen hervor. Er wollte mit seinen Provokationen die Frauen verändern, statt sich selbst oder die Männer zu ändern.

Die Hauptfigur entkommt aber seiner männlichen Sozialisation nicht, wenn er mit seinen Verwandten über Feminismus streitet, aber nicht auf die Idee kommt, seiner Mutter im Haushalt zu helfen. Oder wenn ihm klar wird: Wenn ich nicht weiß, wovon ich rede, tue ich so, als wüsste ich alles.

Er hat Begriffe aus der aktuellen Genderdebatte verinnerlicht, aber erhört nicht auf, frauenfeindliche Aktionen zu planen und dabei Gewalt auszuüben. Soweit könnte das Buch als große Satire herhalten. Das würde dann ja bedeuten, dass er und seine Gleichgesinnten sich nicht anders zu helfen wissen, als Ihre Überzeugung gewalttätig zu vertreten. Männer tauchen somit nicht als Verbündete auf, sondern als gnadenlose Gewalttäter. Die Spirale der Gewalt endet bei dem Hauptakteur dann auch tödlich und damit für das Anliegen eines besseren Verständnisses zwischen den Geschlechtern sehr pessimistisch und tragisch. Ein Buch, dass provozieren möchte. Mich aber in der zu ziehenden Konsequenz verunsichert zurückgelassen hat.

Jürgen Döllmann

 

Stichworte: Feminismus, Männer heute, Männlichkeit

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