Im heutigen Evangelium zum Palmsonntag begegnet uns Jesus in einer ungewöhnlichen Art.
Er reitet auf einem Esel in die heilige Stadt Jerusalem ein und eine Menge von Menschen begleitet ihn.
Wenn wir den Einzug von prominenten Persönlichkeiten von heute verfolgen vor allem von Politikern, aber auch von Schauspielern, Popstars und Spitzensportlern, so sehen wir ein völlig anderes, aber immer wiederkehrendes, fast einheitliches Bild. Die Fahrzeuge dieser Prominenten reichen von den teuersten Limousinen mit und ohne Panzerglas bis zu den Privatjets. Fans und Anhänger begleiten diese Menschen johlend. Diese Art von Einzug ist wie das Berühren von Siegern und Mächtigen für viele einfach anziehend in der Hoffnung, dass von diesem Glanz etwas auf sie selbst zurückfällt. Der Einzug Jesu sieht ganz anders aus.
Nicht auf einem Streitwagen, Pferd oder Kamel. Nein, er zieht auf einem Esel in die Stadt ein.
Jesus hat das bescheidenere, stillere, häusliche Tier bevorzugt. Der Esel diente in der Landwirtschaft, auf ihn war Verlass und das Tier, das lange trägt und lange aushält.
Verlässlichkeit, Friedfertigkeit, Stärke und Gleichmut im Leiden sind Eigenschaften, die dem Esel zugeschrieben werden.
Mich hat das Bild des Esels an den heiligen Franziskus erinnert, der im Gegensatz zum Mainstream seiner zeitgenössischen Prediger im Leib nicht den schlimmsten Feind der Seele sah, sondern eher zu zärtlichen Aussagen über „Bruder Leib“ und „Bruder Esel“ kam. Da Gott im Leib aller Gläubigen Wohnung nimmt, verdient dieser Respekt und Sorge mehr als jedes andere Geschöpf.
Als Physiotherapeut bin ich schon von Berufs wegen mit dem Körper befasst. Trotz des uns umgebenden Körperkultes und auch der Zunahme von Sensibilität und Möglichkeiten, etwas für seinen Körper zu tun, fällt mir auf, dass es dennoch nicht leicht ist, einen Zugang zum eigenen Körper zu finden, geschweige denn seinen Körper wirklich zu bewohnen.
Der Großteil der sportlichen Aktivitäten genügt sich nicht selbst; meist geht es um irgendeine Form von Steigerung oder Vergleich und Wettbewerb. Wir nennen es „gesunden Sport“, doch oft steht dahinter kein gesundes Körperbewusstsein, sondern erinnert manchmal eher an eine„Dressur“ und des Körpers und Wettkampf.
Auch der Slogan “Ein starker Rücken kennt keinen Schmerz“, den man allerorts hört, ist von diesem Denken geprägt. Inzwischen weiß man aber: nur ein flexibler Rücken ist ein starker Rücken. Denn isoliertes Training verkürzt die ohnehin verspannte Muskulatur noch mehr.
Oder auch das Gegenteil: die Bewegungsarmut. Häufig höre ich: „Ich habe lange nichts mehr für mich (meinen Körper) getan.“ Das mangelnde Bemühen um den eigenen Körper ist schon Ausdruck der fehlenden Sorge um sich selbst. Und dabei bemerkt man Erschöpfung und Müdigkeit zuerst an körperliche Reaktionen, wie z.B. erhöhter Blutdruck, Schlafstörung etc.
Körper und Geist gehören zusammen. Unsere Bewegungen spiegeln unseren Gemütszustand. Es lässt sich auch umdrehen: unser Gemütszustand, unsere Stimmung wird maßgeblich von unserem Bewegungsleben mitbestimmt.
Wege zu Erholung und Entspannung gibt es viele: Der regelmäßige und ausreichende Schlaf ist der zuverlässigste Weg. Methoden der Entspannung wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder Meditation verbessern die Konzentration und Selbstkontrolle. Um mehr Bewusstheit in der Bewegung zu erlangen, ist z.B. Feldenkrais sehr hilfreich.
Vieles ließe sich hier aufzählen. Darüber hinaus gibt es viele Alltagsstrategien, die einem den Weg zu aktiven Pausen sichern helfen. Jeder sollte dort nach dem suchen, was ihm entspricht und gut tut.
Ich möchte abschließend noch einmal zum Bild des „Esel“ zurückkehren und Ihnen eine ganz einfache und unspektakuläre Methode nahebringen: Das Gehen. Gehen ist die natürlichste menschliche Fortbewegungsart. Wahre Regeneration gelingt am besten, indem man sich im Sauerstoffüberschuss der freien Natur moderat bewegt. Die Natur zu betrachten und sich in ihr gemächlich zu bewegen, birgt sehr viel meditatives Potenzial. Man gibt Gedanken und Gefühlen eine Chance zur Ruhe zu kommen. Hat nicht auch die Emmaus-Erfahrung im Gehen stattgefunden und hat dabei nicht der fast inflationär gebrauchte Satz: „der Weg ist das Ziel“, seine wahre Bedeutung gewonnen?
Autor: Herbert Meyer
Text: Mt 21,1-11
Mt 26,14-27,66