Lehner, Ohne dich

Erich Lehner, Ohne dich – Wenn Männer trauern, Verlagsanstalt Tyrolia (Innsbruck), 2024


Das Buch möchte Männer in ihrer Trauer wahrnehmen. Die Formen, wie man Trauer lebt, sind höchst unterschiedlich. Im ersten Teil des Buches erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Frage, was Geschlecht im Allgemeinen und Männlichkeit im Speziellen ausmacht. Im zweiten Teil werden anhand von Fallbeispielen verschiedene Prozesse der Trauer und die Verbindung zu Männlichkeiten aufgezeigt.

Männer haben die Neigung, vor allem in Krisensituationen sich außengerichtet zu verhalten, das Innen zu verschließen und Gefühle abzuspalten. Sie tun sich dann oft schwer, mit den eigenen und den Problemen anderer umzugehen. Sie sind eher darauf ausgerichtet, zu funktionieren. Die Vielfalt von Gefühlen erleben aber auch Männer. Die eigenen Gefühle zu kontrollieren, dient dem eigenen Schutz, denn so bieten man weniger Angriffsfläche. Andererseits zeigt sich damit das Motiv der Verantwortung, nämlich einen kühlen Kopf zu bewahren und handlungsfähig zu bleiben.

Wie läuft nun der Trauerprozess ab? In Trauerbegleitungen ist es zunächst einmal notwendig, auf die Vielfältigkeit der Trauerreaktionen zu verweisen, sodass Betroffene ihr Verhalten als angemessenen Ausdruck des Verlust Erlebens begreifen können. Es gibt nicht das eine angemessene Verhalten. Trauer kann viele Gesichter haben z. b. Gefühle des Verlassen Seins, der Angst oder der Wut. In der Trauer geschieht ein Veränderungsprozess, in der das Leben ohne die verstorbene Person das Leben neugestaltet werden muss. Das bisherige Leben verlangt eine Neuorientierung. Geschlecht als soziale Kategorie formt dabei Trauerprozesse sowohl auf individueller wie auch auf gesellschaftlicher Ebene.

Menschen machen in der Trauer zwei unterschiedliche Prozesse durch: Zunächst gilt es, den Verlust zu verarbeiten, das Individuum wendet sich dem Verlust zu. Als Oberbegriff dafür wird vom Autor Verlustorientierung verwendet. Danach gilt es, ein neues Leben ohne die verstorbene Person aufzubauen. Also die Wiederherstellung einer gewissen Normalität im Leben. Dafür wird in dem Buch der Begriff Wiederherstellungsorientierung gewählt. Bei Frauen lässt sich oft eine Tendenz in Richtung Verlustorientierung beobachten, bei Männern in Richtung Wiederherstellungsorientierung. Trauer abzuwehren und sich nicht in die emotionale Auseinandersetzung mit dem Verlust zu begeben kann helfen, die männliche Identität und Handlungsfähigkeit zu bewahren.

Im Alltag erleben wir immer wieder Verlusterlebnisse. Als mögliche Umgänge mit der Trauer werden in dem Buch Männerstammtisch zur Trauer – Möglichkeiten zu Gespräch und Austausch sowie Trauerpilgern -Bedürfnis nach Bewegung und Aktivität- benannt.
Es braucht das soziale Umfeld, dass Männern das Durchleben der Trauererfahrung zusteht. Dort, wo Trauer von Männern wahrgenommen, angenommen und gelebt wird, kann sie den Weg zu alternativen Männlichkeitsentwürfen weisen. Dort steht dann die Sorge im Mittelpunkt. Die Sorge um sich selbst, um die Mitmenschen und um die Umwelt.

Der Autor nimmt die männliche Lebenswelt in den Blick, um von dieser Perspektive auf die Prozesse der männlichen Trauer zu sehen und dabei ein vertieftes Verständnis für deren Vollzüge zu erlangen. Dabei ist das Buch sehr verständnisvoll geschrieben, es geht besonders um die Wahrnehmung der Vielfalt der Trauer, insbesondere bei Männern, anstatt allgemeinen Zuschreibungen zu folgen.

Jürgen Döllmann

Stichworte: Männer Heute, Männlichkeit, Lebenshilfe

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