5. Fastensonntag

Ein gewagtes Versprechen

Wie soll man Kindern erklären, dass sie nicht dazu gehören können, dass sie Nachteile in Kauf nehmen müssen und nicht so leicht Freunde finden werden. Unsere Schulzeit waren die 60-ziger Jahre, also die Zeit des „Mauerbaus“ und des Überfalls in die CSSR und die Zeit, in der man den Schulkindern vom Aggressor Israel erzählt hat.

Wohlbehütet und emotional geborgen wuchs ich mit meinen drei Schwestern in einer katholischen Familie auf, und wir hatten unseren sozialen Bezug in der Pfarrgemeinde, die zum größten Teil aus Heimatvertriebenen bestand. Nicht nur sprachlich, sondern auch durch unsere politische Haltung passten wir irgendwie nicht zu Sachsen. Wir waren die Fremden! In den zehn Jahren Schulzeit haben wir erfahren, dass Christsein Konsequenzen hat und jegliche Karriere damit verbaut war. Ich erinnere mich an ein Gespräch bei Tisch, indem unser Vater uns zu trösten versuchte mit den Worten: „Wenn wir standhaft bleiben, unseren eigenen Weg gehen und uns nicht in irgendwelchen kommunistischen Vereinen vereinnahmen lassen, dann verspreche ich Euch, ihr werdet das beste Leben haben.“ Das war natürlich naiv, aber er sollte Recht behalten! Der Vater war auch der erste, der dafür zahlen musste, nachdem er seinen Posten im sozialistischen Betrieb durch eine Intrige der Partei verlor.

Aus der Sicht der Vergangenheit kam die „Wende“ nicht unverhofft. Es sind viele Faktoren, die zum Zusammenbruch geführt haben und den wirtschaftlichen Bankrott offengelegt haben. Ich glaube fest daran, dass schon viele Jahre zuvor durch die Standhaftigkeit Weniger den Diktatoren die Macht über die Herzen genommen wurde.

Dennoch bewegt mich die Frage, ob ich meinen Frieden mit der Vergangenheit wirklich gefunden habe. Eine gewisse Distanz in einer glaubensfernen Umgebung ist notwendig, um den eigenen Glauben zu bewahren, aber welche Chancen haben wir in einer Ostkirche vertan? Meine Klassenkameraden waren für mich fremd, die Schule war der Feind, die Lehrer, waren die Handlanger einer Ideologie. Auch wenn wir uns als Christen besonders korrekt und anständig verhalten haben, es blieb immer eine inhaltliche Feindschaft. Was hat sich wirklich verändert? Meine Schulgeneration findet sich nicht selten auf der Straße bei Verschwören, Unzufriedenen, Nörglern und bei denen, die wir gern als Nazis beschimpfen. Es sind die, die ihre Identität verloren haben und gern Schuldige finden in denen aus dem Westen, die hier nicht her passen und die man massenhaft ausweisen sollte.

In der Krankenhausseelsorge wurde mir ein wunderbarer Weg geschenkt, die kennen zu lernen, die mir so fremd waren. Bei den Menschen zu sein und sie zu sehen, wie sie wirklich sind und auf diesem Weg auch Christus neu zu entdecken, das ist die Friedensmission für mein Leben. Die Verführungen der Diktaturen sind nicht in wenigen Jahren zu heilen, aber wir alle befinden uns im Heilungsprozess. Was können wir für den Frieden tun? Wie kann man über den Frieden predigen? Da fühle ich mich sehr ohnmächtig. Als gestern meine fremde Nachbarin klingelte und mich bat, ihren aus dem Bett gestürzten Mann vom Fußboden aufzuheben, da habe ich mich in diesen großen Weltfragen schon wieder besser gefühlt.

Christoph Behrens

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