Röggla, Die geheime Angst des Mannes.

Hannelore Röggla, Die geheime Angst des Mannes. Der Mythos vom „starken“ Geschlecht. Eine Widerlegung. Kreuz Verlag, Stuttgart 2005. ISBN 3-7831-2515-4. 256 Seiten, € 17,95.

 

Hannelore Röggla, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutin, entwickelt zu Beginn ihres Buches das Bild eines „richtigen“ Mannes: „Er ist stark und mutig, beherrscht und emotionslos, vom Verstand bestimmt, unabhängig, aktiv und dominierend, objektiv.“ (S. 13) Und das in Abgrenzung zur Frau. Das ist natürlich ein Klischee, dem nicht alle Männer entsprechen, und die Autorin weiß darum. Dennoch basiert ihr Buch wesentlich auf der Annahme, dieses Rollenbild würde das Denken in unserer Gesellschaft (nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen) dominieren und ein Mann müsse, um als „richtiger“ Mann zu gelten, alle (S. 17) oder zumindest die meisten (S. 15) dieser Männlichkeitskriterien erfüllen. Hier wäre aber an die Autorin die Frage zu stellen, ob das Männerbild in unserer Gesellschaft heute nicht viel differenzierter ist.

Hinter dem von ihr konstruierten Ideal, dem die meisten Männer doch nicht entsprechen, findet die Autorin eine Unsicherheit, die „geheime Angst des Mannes“. Sie liege begründet in „dem ‚Ding‘, das seine Männlichkeit tatsächlich ausmacht“ (S. 53): dem Penis. Der funktioniert eben nicht so, wie „Mann“ es will, führt ein gewisses Eigenleben und stellt – am schlimmsten durch Impotenz – die Männlichkeit des Mannes in Frage (6. Kapitel).

Dennoch begehrt der Mann das andere Geschlecht. Laut Röggla widerspricht das aber der Beherrschung der Gefühle, die zum männlichen Ideal gehöre. Deshalb verdränge der Mann das unkontrollierbare Begehren und schiebe es in einer Projektion auf die Frau ab: „Nicht er hat ein Problem mit seiner unkontrollierbaren Lust, sondern sie ist das Problem. Nicht er will sie, sondern sie lockt ihn.“ (S. 66) So erlebe der Mann die Frau als Bedrohung.

Diesen Projektionsmechanismus hat Röggla zuvor in Kapitel 2 bis 5 entwickelt, indem sie die Erzählung von Adam und Eva und vom Sündenfall psychologisch auslegt. Dabei wendet sie sich gegen die Vorstellung, Eva sei die primär Schuldige, die sich von der Schlange habe verführen lassen und Adam nur hineingezogen hätte. Vielmehr deutet sie die Schlange als den männlichen Penis; die Beteiligung des Mannes am Sündenfall sei nur verschleiert, auf die Frau abgeschoben.

Ob – einmal völlig abgesehen vom theologischen Gehalt der Urgeschichte – diese symbolische Deutung psychologisch plausibel ist, mögen Fachleute entscheiden. Leider ist ihre Darstellung auch in exegetisch-theologischer Hinsicht in einigen Punkten als unsachgemäß zu kritisieren. Besonders schlimm ist, wie Röggla den Gott des Alten Testaments hier und im ganzen Buch immer wieder pauschal als zornigen, rachsüchtigen und lustfeindlichen Vater-Gott zeichnet (z. B. S. 20, S. 61, S. 107 f.).

Hängt das mit ihrer negativen Sicht der katholischen Kirche zusammen? Auf jeden Fall entfaltet sie in einer Untersuchung von Katholizismus (9. Kapitel) und (konservativem) Islam (10. Kapitel), was sie im 8. Kapitel über das Patriarchat geschrieben hat: Sie analysiert es als eine Weise, wie Männer versucht haben und versuchen, ihre Ängste in den Griff zu bekommen: indem sie die Frauen vollständig unter ihre Kontrolle bringen.

So zeichnet Röggla unter der Überschrift „Die Verteufelung der Frau – die Rolle der katholischen Kirche“ die Kirchengeschichte als eine Geschichte der Verdrängung von Frauen und Sexualität, überwacht von den „Zölibatären“, kulminierend im Hexenwahn. Auch wenn die katholische Kirchengeschichte viele schreckliche Seiten aufweist und Rögglas Ursachenanalyse bedenkenswert ist: Die Darstellung ist bedauerlicherweise einseitig und überzeichnet und in einigen Punkten schlichtweg falsch (etwa, wenn sie auf S. 123 behauptet, Kinder wären in der Kirche nach wie vor der einzige Ehezweck). Röggla bezeichnet sich selbst als „christlich erzogen“ (S. 141). Doch ihr Bild von Kirche und Glaube scheint – in einem schlechten Sinne – vorkonziliar geprägt worden zu sein. Dass es gerade durch das Zweite Vatikanische Konzil zu einem Neuaufbruch in der katholischen Kirche kam und sich mittlerweile vieles, wenngleich nicht alles geändert hat, vermag sie offenbar kaum zu sehen (vgl. S. 131-133).

Im nächsten Kapitel untersucht sie auf ähnliche Weise unter dem Stichwort „Verschleierung“ den Islam. Dabei hat sie v. a. die Ganzkörperverschleierung (S. 137) im Blick und damit sehr konservative Strömungen im Islam; sie beklagt, dass dabei Frauen zu eifersüchtig behütetem Besitz und Sexualitätsdienstleistern verzweckt würden. Insgesamt kommt sie zu dem Ergebnis, dass „sich das Christentum und der Islam in ihren paranoiden Auswüchsen der Religionen treffen“ (S. 162).

Weiterhin setzt sie sich kritisch mit Sigmund Freud auseinander (Kapitel 11). Auch wenn sie dann doch mit seinem Analysemodell zur Sohn-Mutter-Beziehung arbeitet, wirft sie Freud einseitiges männliches Denken in patriarchalischer Tradition vor, das die Verantwortung der Väter für die Entwicklung von Jungen einseitig auf die Mütter abwälze.

In zwei weiteren Kapiteln zeigt sie, wie es ausschauen kann, wenn sich diese „geheime Angst“ des Mannes besonders aggressiv nach außen wendet. Zuerst analysiert sie den gewalttätigen Mann (Schläger, Vergewaltiger, Frauenmörder), dann die „Erstarrung im Männlichkeitswahn“ im Faschismus.

Erst in den beiden letzten Kapiteln wendet sie sich dem „anderen Mann“ zu, den anderen Seiten im Mann, die nicht dem „Vorzeigemann“ entsprechen. Sie beklagt die Gefahr, dass dieser „Vorzeigemann“ die Frau zwingt, zur „Vorzeigefrau“ zu werden, die die Eigenschaften hat, „die er angeblich nicht hat und nicht haben will“ (S. 241), die dafür aber – wie er – alles verdrängt, was nicht in das Rollenmodell passt. Dagegen plädiert Röggla für einen Wandel, der nicht bei der Partnerin bzw. beim Partner, sondern bei sich selbst beginnt. Konkrete Wege dazu zeigt sie aber nicht auf.

„Fast müsste man sich wundern, dass es trotz dieser Hindernisse auch lange dauernde Partnerschaften und erfreulicherweise auch glückliche Beziehungen gibt.“ (S. 243) Es finden sich diese Stellen im Buch, wo Röggla anerkennt, dass Männer durchaus in der Lage sind, die Fallen traditioneller männlicher Verhaltensklischees zu überwinden und in Frieden mit dem anderen Geschlecht zu leben. Vielleicht nicht gewollt, vermittelt ihr Buch aber über weite Strecken ein pauschalisierend negatives Bild der männlichen Innenwelt.

Röggla kann dennoch einen neuen Blick auf Beziehungs- und Verhaltensmuster eröffnen und einige Denkanstöße geben. Eine Straffung der Darstellung – manche Botschaften wiederholen sich immer wieder –, eine differenziertere und sachgemäßere Darstellung und vielleicht das Aufzeigen konkreter Wege zur Überwindung der „geheimen Angst des Mannes“ ließen das Buch aber erheblich an Wert gewinnen.

 

Martin Hochholzer

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