GiG-net (Hrsg.), Gewalt im Geschlechterverhältnis.

GiG-net (Hrsg.), Gewalt im Geschlechterverhältnis. Erkenntnisse und Konsequenzen für Politik, Wissenschaft und soziale Praxis. Verlag Barbara Budrich, Opladen & Farmington Hills 2008. ISBN 978-3-86649-054-3. 381 Seiten, € 28,00.

 

„Die einen werden mit Verblüffung feststellen, welche Fülle an neuer empirischer Forschung zu verschiedenen Dimensionen des Gewaltproblems vorliegt … Die anderen werden erstaunt sein, dass die Autorinnen und Autoren von sieben unabhängigen Untersuchungen sich darauf eingelassen haben, gemeinsam eine Synthese ihrer Erkenntnisse … zu schreiben, und zwar ohne Vereinfachung zwecks Reduktion auf den gemeinsamen Nenner“ (S. 7). So beschreibt im Vorwort Carol Hagemann-White durchaus zutreffend Charakter und Spezifikum des vorliegenden Buches. Hinter dem kryptischen „GiG-net“ (Forschungsnetz Gewalt im Geschlechterverhältnis) verbergen sich für die vorliegende Veröffentlichung 13 Autorinnen und 2 Autoren, die am Schluss des Bandes mit ihren jeweiligen Forschungsschwerpunkten vorgestellt werden. Bei den sieben erwähnten Studien (siehe die Übersicht S. 364–375) handelt es sich um Untersuchungen aus den Jahren 1998–2004, die in insgesamt elf Kapiteln unter systematischen Gesichtspunkten vorgestellt und ausgewertet werden. Auf S. 16 f. werden die einzelnen Kapitel mit ihren thematischen Schwerpunkten kurz beschrieben, eine erste hilfreiche Orientierung, um sich einen raschen Überblick über die Fülle der verhandelten Aspekte zu machen und das Buch nach eigenen Interessen gezielt nutzen zu können. Auf jeden Fall empfiehlt es sich dringend, das erste Kapitel zu lesen, das einen Überblick über das Ausmaß und die Formen von Gewalt im Geschlechterverhältnis gibt. Diese Fokussierung auf Frauen und Männer bedingt, dass die Gewalt gegen Kinder zwar immer wieder thematisiert wird, aber nicht den Schwerpunkt der einzelnen Beiträge bildet.

Nicht ganz unerwartet dominieren – und auch das zeigt das erste Kapitel sehr deutlich – Studien, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln Gewalt gegen Frauen zum Gegenstand haben. So gewinnt man beim Lesen doch den Eindruck, dass die Fülle empirischer Forschung, von der im Vorwort die Rede ist, im angegebenen Zeitraum im Wesentlichen Frauenforschung gewesen ist – und damit Männer zunächst einmal als Täter in den Blick kommen. Auch das beigefügte Literaturverzeichnis verstärkt diesen Eindruck. Die ebenenfalls im Buch präsentierte Pilotstudie „Gewalt gegen Männer“ bildet hier eine rühmliche Ausnahme und macht zugleich – wie GiG-net selber vermerkt – ein Forschungsdesiderat sichtbar. Es braucht mehr und qualifizierte Forschung zu dem weiten Thema Männer als Opfer von Gewalt.

Das Buch, auch das sei angemerkt, ist keine leichte Kost. Vor allen Dingen und zuallererst wegen des Themas. Egal, welche Studie gerade präsentiert und welcher thematische Aspekt gerade behandelt wird: Immer wieder wird deutlich, wie bedrängend die „Gewalt im Geschlechterverhältnis“ im Leben von Frauen und Männer ist und wie sehr auch Kinder und Jugendliche, die Gewalt in der Partnerschaft der Eltern erleben (vgl. Kapitel 9), davon betroffen sind. Man merkt natürlich dem Buch auch an, dass es nicht für ein breiteres Publikum geschrieben ist, sondern es sich um eine fachwissenschaftliche Publikation mit entsprechender Zielgruppe handelt. Auch das angehängte Glossar mit wichtigen Fachbegriffen kann darüber nicht hinwegtäuschen. Und schließlich sind es zum Teil sehr differenzierte Detailstudien, die präsentiert werden. Kein Buch also für Leute, die einmal so reinschauen und sich zum Thema Gewalt allgemein kundig machen wollen, sondern eher für solche, die mit einem konkreten Frage- und Erkenntnisinteresse kommen.

 

Andreas Ruffing

 

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