Fastenimpuls – Ostersonntag

Unbequeme Zeugen.

Wenn Wahrheit mit Tradition bricht

 

Wie sehr hatten sie gehofft. Nach der großen Amazonas-Synode in Rom, bei der nicht nur die Bischöfe des Landes mit dem Papst darüber beraten haben, wie dem großen Priestermangel abgeholfen werden kann, sondern auch viele Indigene und andere so genannte Laien. Dann das Abschlussdokument, das mit einer Mehrheit von Zweidrittel dafür votierte, andere Zugänge zum Priestertum zu schaffen. Z.B. bewährte Familienväter, die jetzt schon Verantwortung in der Gemeinde übernehmen. Oder Frauen, die die Gemeindeleitung innehaben, weil manchmal schon zehn Jahre kein Priester mehr Eucharistie mit ihnen gefeiert hat. Christinnen und Christen im Amazonasgebiet leben in kleinen, verstreuten Gemeinden. Sie sind sozial engagiert und finden durch die Zugehörigkeit zu ihrer Gemeinde Motivation, sich einzusetzen für ihre Nächsten und Übernächsten. Die Konkurrenz ist allerdings groß. Freikirchen und Sekten sammeln ebenfalls Menschen, die eine geistliche Heimat suchen. Sie geben ihnen ein Gemeinschaftsgefühl, das sie woanders nicht finden. Den katholischen Gemeinden ist ihr stärkstes Symbol zur Gemeinschaftsstiftung in den Amazonas-Wäldern allerdings weitgehend genommen: die Eucharistie.

Der Papst war tief enttäuscht über die teils kritischen Reaktionen auf sein nachsynodales Schreiben Querida Amazonia, wird berichtet. Er habe gehofft, positive Resonanz zu bekommen z.B. auf die Erlaubnis, dass die Kirche Inkulturation nun auch offiziell praktizieren kann, also in ihre Liturgie Elemente der indigenen Volkskultur zu integrieren. Die Hoffnung aber, durch andere Zugänge um Priesteramt mehr Menschen zu bekommen, die legitim Eucharistie feiern dürfen, wurde wiederum von den dortigen Christen enttäuscht. Was bleibt, ist Trauer und Resignation. Wie damals hinter verschlossenen Türen vor der Nachricht von der Auferstehung Jesu.

Ostersonntag ist dann aber der Beginn einer neuen Zeit. Den Jüngern vom Abendmahlssaal wird dieses letzte Mahl mit Jesus zum Kraftort ihres Vertrauens, als sie erfahren, dass Jesus nicht wirklich sterben kann, sondern lebendig bleibt. Die Eucharistie, die Christen Sonntag für Sonntag feiern, erneuert diese Hoffnungskraft. Nur nicht in Aamazonien. Und in vielen Gemeinden in Europa auch nicht.

Die notleidenden Amazonas-Christen werden der Kirche heute zu unbequemen Zeugen. Dass aus ihrer Mitte einfach keine Männer erwachsen, die den Zölibat auf sich nehmen wollen, um Eucharistie mit ihren Schwestern und Brüdern zu feiern, ist dies nicht nur ein Zeichen der Zeit oder ein Zeichen des Heiligen Geistes? Ein Zeichen, dass sich an den Zugangsbedingungen zum Priesteramt alles ändern muss? Die Kirche ist nicht um ihrer Tradition willen da, (die sich im Fall des Zölibats nicht einmal bis zu den Anfängen zurückverfolgen lässt), sondern um der Menschen willen, die in der jeweiligen Gegenwart ihren Glauben leben wollen.

Ostersonntag 2020 wird somit zur “gefährlichen Erinnerung”, wie es der kürzlich verstorbene Theologe Johann Baptist Metz ausdrückte. Gefährlich wird die österliche Botschaft für alle, so kann man für hier und jetzt übersetzen, die alles beim Alten belassen wollen. Die selbst einer Erinnerung folgen, die sie nicht bis an die Tiefe des christlichen Gründungsmythos bringt, sondern die den Erhalt des Status quo mit Tradition verwechseln. Die Osterbotschaft sagt aber genau das Gegenteil. Auf die Herausforderungen von heute müssen adäquate Antworten gefunden werden. Das würde bedeuten, Frauen grundsätzlich und mehr Männer, mit legitimierter Autorität zum Wohl der Osterbotschaft wirken zu lassen. Wunder würde das vielleicht nicht bewirken, aber sicher eine Kirche hervorbringen, mit der sich die noch engagierten Frauen und Männer stärker identifizieren könnten.

Dr. Andreas Heek
Biblischer Bezugstext: Apg 10,34a.37-43;

Übrigens: Informationen über die Autoren der Fastenimpulse finden sich unter
https://kath-maennerarbeit.de/autoren-2020/

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