Martschukat / Stieglitz, Geschichte der Männlichkeiten.

Jürgen Martschukat / Olaf Stieglitz, Geschichte der Männlichkeiten (Historische Einführungen 5). Campus Verlag, Frankfurt – New York 2008. ISBN 978-3-593-38753-6. 198 Seiten, € 16,90.

 

Das Buch – von zwei Historikern verfasst – beschäftigt sich natürlich zuerst einmal mit Geschichtsschreibung: mit historischer Forschung, die Geschlechteraspekte bewusst in den Blick nimmt. Darüber hinaus ist es für jeden, der sich in das Feld der Männerarbeit und Geschlechterpolitik vorwagt, eine gute Einführung in die wichtigsten Begriffe, Theorien, Diskurse und Persönlichkeiten: Zwar jeweils nur knapp, aber grundlegend kommen die Autoren auf die Debatte Biologie versus Sozialisation ebenso zu sprechen wie auf Queer Studies, Habitus, Judith Butler oder Transsexualität. Was natürlich nicht im Fokus liegt – da noch kein Objekt der Geschichtsschreibung –, ist die Forschung zu den heutigen Männern.

Diese ganzen Theorien und Konzepte erscheinen im Buch, weil sie ja Teil der Geschlechtergeschichtsschreibung sind. Martschukat und Stieglitz beginnen bei der feministischen Geschichtsschreibung, die sich in den 1960er Jahren in den USA etablierte und entsprechender Forschung zu Männern und Männlichkeiten vorauslief. Über die klassischen Men’s Studies geht es bis zu den neuesten Forschungsansätzen. Die Autoren scheuen sich auch nicht, Forschungsdesiderate zu benennen (etwa beim Bereich Glaube und Männlichkeiten, vgl. S. 165) und Leitfragen für die Forschung zu formulieren.

Drei Kapitel nehmen Leitkonzepte von Männlichkeit näher in den Blick: die Dichotomie Familie und Berufsleben; verschiedene Formen männlicher Vergemeinschaftung, wo Männer unter sich bleiben (Burschenschaften, Jugendgruppen, Militär oder früher auch das Staatswesen); und schließlich auch die „Geschichten männlicher Sexualitäten“. Manches, das immer wieder auftaucht, überrascht nicht (etwa das Alkoholproblem bei Männern oder die Bedeutung des Militärischen für die männliche Sozialisation); an anderer Stelle konnte die Forschung aber bereits geläufige, stereotype Vorstellungen über Männer aufbrechen. Z. B.: „Aufgrund der zunehmend differenzierten Forschung lässt sich der Zeitraum von 1600 bis 1800 kaum mehr pauschal als ‚patriarchalische‘ Epoche typisieren“ (S. 89 f.).

Die Einführung von Martschukat und Stieglitz ist vor allem auch eine Einführung in die wissenschaftliche Literatur, an der sie sich in ihren Ausführungen entlanghangeln. Dazu kommt das Literaturverzeichnis: 30 Seiten sind für ein 200-Seiten-Buch beachtlich! Dabei fällt das überproportionale Gewicht auf, das Arbeiten aus den und über die USA bekommen – doch ist hier diese Forschung am stärksten etabliert.

Nicht in allen Teilen lässt sich das Buch ganz leicht lesen – z. B. dann, wenn es um geschlechterphilosophische Theoriedebatten geht. Kästen mit zentralen Informationen und einige längere Zitate aus historischen Quellen lockern den Text jedoch etwas auf.

Insgesamt ist das Buch eine gelungene Einführung in ein komplexes Thema – und das auch für Männerarbeiter, die weniger an Historischem interessiert sind.

 

Martin Hochholzer

 

 

 

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