Fastenimpuls – 1. Fastensonntag

Scheitern ist nicht gleich Scheitern oder: die Meditation im Kartoffelsack

Es muss um das Jahr 2005 gewesen sein, als ich der Einladung der Männerseelsorge des Bistums Mainz folgte, um an einem Aschermittwochsgottesdienst in der St. Antonius Kirche in der Innenstadt der Rheinland-Pfälzischen Hauptstadt teilzunehmen. Damals befand ich mich in einer Schaffenskrise. War mein damaliger Beruf auch wirklich meine Berufung? Konnte ich meine Kraft und Energie wirklich entfalten? Wo sollte mein Weg in der zweiten Hälfte meines Berufslebens entlangführen? Wochenlang zermarterte ich mir das Hirn darüber, wie ich meine Arbeit besser, wertvoller oder sinnerfüllter gestalten könnte. Dabei fühlte ich mich in einer Sackgasse. Bis zu jenem Aschermittwoch.

In meiner Erinnerung war der Gottesdienst von einer tiefen spirituellen Atmosphäre erfüllt. Die dominierende Dunkelheit wurde nur sparsam von Kerzenlicht durchbrochen. Stille mischte sich mit Hoffnung, Sehnsucht und Erwartungen der Männer, die sich in der ‚Fastnachtshochburg‘ auf den Weg gemacht hatten, nachdem das Spektakel endlich vorbei war. Die Andacht selbst folgte keinem gewohnten Rhythmus und gestaltet wurde sie auch nicht von einem Priester, sondern vom damaligen Leiter der Männerseelsorge Mainz.

Im Gottesdienst wurden wir eingeladen, Angebote an unterschiedlichen Orten im Kirchenraum wahrzunehmen. So konnten wir beispielsweise den Austausch mit anderen Männern suchen oder an einer ‚Sackgassenmeditation‘ teilnehmen. Ob Letztere wirklich so genannt wurde, weiß ich nicht mehr. Für mich hat es sich aber damals so angefühlt: wie eine Meditation in der Sackgasse. Hierfür hatte das Organisationsteam alte Kartoffelsäcke in der ganzen Kirche verteilt, und wer sich darauf einlassen wollte, durfte in einen der staubigen Beutel hineinsteigen und die Öffnung fest nach oben ziehen bis es nicht mehr weiter ging. So konnten wir unsere persönlichen Sackgassen in einer minutenlangen Phase der Stille buchstäblich im ganzen Körper erspüren. Für mich hatte diese Meditation im Kartoffelsack, der mir bis über die Hüfte reichte, eine kathartische Wirkung. Zunächst versuchte ich meine berufliche Sackgasse zu erspüren, doch konnte ich sie nicht finden. Vielmehr wurde mir in Stille, Dunkelheit und Kontemplation ganz zaghaft bewusst, wo ich eigentlich in keiner Sackgasse steckte, wo ich dankbar und demütig sein sollte. Meine Kinder, die Beziehung, Gesundheit und das Bewusstsein, von keinen existentiellen Ängsten getrieben zu sein.

Plötzlich verstand ich, dass mir durch die Versuchungen des immer besser, immer weiter, immer intensiver und dem Jagen nach persönlicher Selbstverwirklichung der Blick auf die Dinge verstellt wurde, die eigentlich zählen. Gerade wir Männer sind oft der Versuchung ausgesetzt, nach den Sternen greifen zu wollen, ohne das verinnerlicht zu haben, was uns wahrlich erdet. Stattdessen machen wir uns hungrig auf die Suche nach neuen Herausforderungen – was auch gut und wichtig ist, solange wir das Fundament spüren – und versinken nicht selten in Verzweiflung, wenn wir vermeintlich scheitern, wenn es uns nicht gelingt, die selbstgesteckten Ziele zu erreichen.

Jesus ist den umgekehrten Weg gegangen wie im Evangelium des heutigen Tages, in Lukas 4, 1-13, nachzulesen ist. Zuerst hat er sich in die Wüste aufgemacht, in die Stille, die Abgeschiedenheit, die Askese, um sich auf das zu besinnen was ist. Dann erst kam die Versuchung der Allmacht, des Reichtums und irgendwie auch der Selbstverwirklichung. Doch Jesus widerstand.

Boris von Heesen, Darmstadt im März 2019

 

 

Ein Angebot zur Ergänzung:

Klostertage für Männer bei den Benediktinern auf dem Jakobsberg bei Bingen

Besinnung und Selbstfindung im Rhythmus der Mönche

Bei den Benediktinern auf dem Jakobsberg nehmen wir an den Stundengebeten teil. Dazwischen ist Zeit für Gespräche zur Spiritualität und Lebensgestaltung von Männern heute.

Der andere Zeitfluss des „ora et labora“ bietet die Chance, sich auf das persönlich Wichtige zu besinnen – gerade in der Zeit vor Ostern. Für die Gruppengespräche stehen Dr. Prömper als Leiter und bei Bedarf ein Benediktiner zur Verfügung. Themenabsprache ist im Vorfeld per E-Mail möglich. Die Klostertage sind eine gute Ergänzung der spirituellen Fastenimpulse für Männer per E-Mail, denn sie werden das Oberthema 2019 „Scheitern. Und andere Sackgassen“ in der inhaltlichen Gestaltung aufgreifen.

 

Termin:           Freitag, 12. April 2019, 18:00 Uhr – Sonntag, 14. April 2019, 14:00 Uhr

Leitung:          Dr. Hans Prömper

Ort:                 Kloster Jakobsberg, 55437 Ockenheim (www.klosterjakobsberg.de)

Kosten:           165 € Teilnahmebeitrag (inkl. EZ u. VP)

Veranstalter:   Bischöfliches Ordinariat Mainz, Referat Erwachsenenseelsorge

Veranstaltungsnummer:         19EWS041

Anmeldung:    Bischöfliches Ordinariat, Referat Erwachsenenseelsorge, Bischofsplatz 2, 55116 Mainz

E-Mail:           ews-anmeldung@bistum-mainz.de

Telefon:          06131 253264

Fax:                 06131 253586

Internet:          Link


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