Jesus hat im Matthäusevangelium erstmalig von dem ihm bevorstehenden Weg nach Jerusalem, von seinem ihm dort bevorstehenden Tod gesprochen, und er hat Petrus als einen seiner engsten Vertrauten, der davon nichts hören wollte scharf zurechtgewiesen (Mt 16,21-28)
6 Tage später, so heißt es, nahm er just diesen Petrus und zwei weitere ihm vertraute Männer mit auf einen hohen Berg und hier geschieht das, was in der Bibel mit der Verklärung Jesu überschrieben wird (Mt 17,1-9):
„Jesus wurde vor ihren Augen verwandelt und sein Gesicht leuchtete wie die Sonne“ (Mt 17,2)
Kennen Sie das?
Sie tragen sich mit einer großen Entscheidung, wägen für und wider ab…
und irgendwann wissen sie, wohin ihr Weg sie führt… und bei aller bleibenden Ungewissheit stellt sich eine große Erleichterung ein. Und eine große Klarheit; die Dinge fügen sich auf wundersame Weise zusammen.
Diese Klarheit, diese Ver-Klärung, scheint in Jesu Gesicht ablesbar, und sie kennen es selbst, dass Menschen einem, wenn sie intensive Prozesse durchlebt haben, wie verwandelt vorkommen.
Die Gesichter mancher Menschen (mir fallen spontan u.a. der Dalai Lama und Frere Roger aus Taize ein) haben ein solches Strahlen, strahlen Güte, Humor und Freude am Leben aus und sie kennen solche Menschen wahrscheinlich auch in ihrem Umfeld.
Solches Strahlen können wir üben:
Angeregt durch unseren verstorbenen Aachener Bischof Klaus Hemmerle habe ich vor vielen Jahren begonnen, mir früh am Morgen Zeit für einen ausführlichen Blick in den Spiegel zu nehmen. Zunächst war es der morgendliche Badezimmerspiegel, vor dem ich verweilte. Oft begegnete mir ein zerknittertes, manchmal ein trauriges oder einfach ein müdes Gesicht. Hemmerle empfahl, so lange stehen zu bleiben, bis sich ein Lächeln einstelle. Und tatsächlich, ich bin selten enttäuscht worden.
Mittlerweile ist es ein Handspiegel, den ich morgens häufig im Rahmen meiner morgendlichen Gebetszeit zur Hand nehme, um den im Spiegel zu fragen, wie es ihm gehe. Oft ist der Mann im Spiegel angerührt von dieser Aufmerksamkeit (und manchmal laufen ihm dabei Tränen aus seinen Augen)… und am Ende, nach einem kurzen Gespräch, gibt es immer einen Kuss und ein „Ich liebe Dich, Mario“… und spätestens dann strahlt er.
Ein letztes Beispiel: Angeregt durch die Information, dass die bloße Bewegung der Gesichtsmuskulatur (also z.B. Grimassen schneiden) unsere Bereitschaft und Fähigkeit zur sozialen Kontaktaufnahme erhöht, lud ich im Rahmen von Einkehrtagen ca. 20 Männer ein, sich in der morgendlichen Besinnung zu zweit zusammen zu tun und für einige Minuten nur über Gesichtsausdrücke und Grimassen zu kommunizieren. Anfangs war es recht still und Unsicherheit oder auch Scham schien die Atmosphäre zu prägen. Mit fortlaufender Zeit gab es erstes Gekichere, später auch Gelächter. Als ich die Übung nach einigen Minuten beendete, schaute ich in viele strahlende Gesichter.
Mario Schleypen