Wüstel, Männliche Depression

Dr. med. Jens-Michael Wüstel, Männliche Depression
Warum verletzte Helden anders ticken und eigene Auswege brauchen,
Beltz Verlag (Weinheim) 2018

Niederlagen, Scheitern und Verletzungen gehören zu unserem Leben. Krisen sind schmerzhaft, denn sie legen die Verletzung frei. Sie bieten Männern aber auch Chancen. Das bedeutet für den Autor, der seit über 20 Jahren als Therapeut tätig ist, dass die Männer sich öffnen müssen, ihren Schmerz annehmen und ihn somit überwinden lernen. In einem ersten Teil des Buches vermittelt er Hinweise zu Ursachen und Symptomen männlicher Depression. Das haben wir vielleicht alle schon einmal gehört: Männer haben keine Depression, stattdessen haben sie Probleme. Ein typisch männliches Verhaltensmuster bei Stress und Leistungsdruck scheint durchhalten, durchbeißen und Augen zu zu sein. Frauen und Männer gehen grundsätzlich anders mit Krisen um: Männer zeigen ein eher lösungsorientiertes Verhalten, welches allerdings in sinnlosen Aktivitäten und im Verleugnen von Empfindungen umschlagen kann.

In Teil II geht es kulturgeschichtliche und medizinische Hintergründe. Autonomie- und Dominanzbedürfnisse verhindern oft bei Männern die Annahme der Diagnose „Depression“. Männer zeigen eine nach außen gerichtete externalisierende Konfliktverarbeitung. Dabei bleiben oft Selbstreflexion und Lernerfahrung auf der Strecke. Im Teil III stellt der Autor die Heldenreise als zentraler Therapieansatz vor.
Das Modell hinterfragt alte maskulime Denkmuster und versucht sie in neue Bahnen zu lenken. Es geht um das Durchlaufen verschiedener Reifegrade. In jeder Entwicklungsstufe sind verschiedene Lebensaufgaben zu bewältigen, die wiederum im günstigen Fall zur Ausbildung neuer Handlungskompetenzen führt. Für den Autor ist insbesondere für die Entwicklung einer Persönlichkeit die Lebensphase „Junge“ und darin die Bedeutung des Vaters relevant.

Im Vierten Teil werden Forderungen an eine spezifisch männliche Therapie beschrieben. In der
narrativen Therapie sollen Männer durch Erzählungen entdecken, dass nicht alles schlecht ist und dass es viele positive Aspekte in seiner Geschichte gibt. Für eine erfolgreiche Therapie gibt der Autor dann noch Empfehlungen (5 Schritte Programm) zur Ernährung, Bewegung, Coaching, Imagination, Glaubenssatzarbeit.

Männerorientierte Krisenbewältigung verlangt einen eigenen Blick auf die Lebenswelten, Rollenbilder und Bewältigungsstrategien der Männer von heute. Das führt dann zu eigenen Diagnose- und Behandlungsmodellen. Den Blick dafür geschärt zu haben, ist sicherlich wichtig und verdienstvoll. Das Buch bietet eine Fülle von Informationen zu der im Untertitel des Buches genannten Fragestellung und Hinweise zu Wegen aus der Krise.

Jürgen Döllmann

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