Schlosser, Mann und Frau geschlechtsspezifische Sinnerfüllung.

Herta Schlosser, Mann und Frau geschlechtsspezifische Sinnerfüllung. Beiträge zur christlichen Kultur, Bd. 6, Patris Verlag, Schönstatt-Vallendar 2004. ISBN: 3-87620-268-X. 161 Seiten.

 

Bekanntlich liegt einer der Schwerpunkte der Schönstatt-Bewegung in der Arbeit mit Familien. Das Ehe- und Familienapostolat gehört damit zu den herausragenden Handlungsfeldern der Bewegung und damit konsequenterweise auch die Beschäftigung mit Geschlechterrollen und Geschlechterverhältnissen. Wer als Mitglied der Schönstattbewegung oder als interessierte/r Aussenstehende/r wissen will, auf welchen theologischen und humanwissenschaftlichen Grundlagen und Erkenntnissen diese Arbeit erfolgt, oder einfach auch nur neugierig ist, was denn Josef Kentenich, der Begründer der Bewegung, zum Thema „Mann und Frau“ gesagt hat, wird mit einigem Gewinn zu dem Buch von Herta Schlosser aus dem Jahre 2004 greifen.

Die Autorin, Leiterin des „Forschungsschwerpunkts Josef Kentenich“ an der Universität Koblenz-Landau, hat eine gut lesbare Schrift vorgelegt, die in einer einfachen und klaren Sprache verfasst ist, ohne dabei holzschnittartig in der Argumentation zu werden. So bemüht sie sich erkennbar und erfreulicherweise um eine differenzierte und besonnene Darstellung, gerade dann etwa, wenn es um die Gültigkeit und Reichweite des Gender-Begriffes oder um die Würdigung der feministischen Bewegung geht. Zu erinnern ist daran, dass just in diesem Jahr 2004, als das Buch erschien, das Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre „Über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt“ ganz andere und harschere Töne vor allem in der Beurteilung der Gender-Kategorie anschlug.

Vor allem ist der dritte Teil des Buches interessant, in dem die Position des Begründers der Schönstatt-Bewegung zur Geschlechterfrage und zum Geschlechterverhältnis erläutert wird. Natürlich wird aus den im Anhang beigefügten O-Tönen deutlich, dass Josef Kentenich – wie nicht anders zu erwarten – in vielem ein Kind seiner Zeit und der sie prägenden patriarchalen Geschlechterkultur war. Aber dennoch – und das mag auf den ersten Blick verwundern – gibt es bei Pater Kentenich durchaus patriarchatskritische Töne. Aus Männerperspektive ist zudem festzuhalten, dass sich Kentenich um eine theologisch und spirituell verankerte Revision des Vaterbildes bemüht, dessen tiefe Erschütterung er als Kind unmittelbar und auch wohl sehr schmerzhaft erlebt hat, wie das folgende Zitat belegt: „Die heutige Zeit weiß ja nicht mehr oder nur verzweifelt wenig von Väterlichkeit, von Vatersein und Vatersinn“. (S.150) Und noch markanter als Zeitansage erscheint dieses Zitat, wenn man sich vergegenwärtigt, wann Kentenich dies gesagt hat: im Jahre 1950, fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Weil die Folgen der Destruktion des Väterlichen durch den Zweiten Weltkrieg und die Nazizeit bis heute zu spüren sind, lohnt es sich Kentenich als Zeitzeugen dieser Entwicklung zu hören.

 

Andreas Ruffing

 

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