Passmann, Alte weisse Männer – Ein Schlichtungsversuch

Sophie Passmann, Alte weisse Männer, Kiepenheuer & Witsch (Köln) 2019

 

Die Autorin und Radiomoderatorin Sophie Passmann schildert in ihrem zweiten Buch auf 280 Seiten – teilweise mit viel Respekt und beindruckt von den Gesprächspartnern (zum Beispiel, wenn Sie nach der Zusage eines Gesprächspartners betont, dass dadurch das Buch klüger würde) – Ihre Suche nach dem alten weißen Mann. Sie versucht mit Ihren Gesprächspartnern eine präzise Beschreibung eben jenes alten weißen Mannes. Im Vorwort beschreibt Sie Ihre Reise zu den verschiedenen Gesprächspartnern als den Versuch der Annäherung an Männlichkeit im 21. Jahrhundert. Für Sie beinhaltet das den uneingeschränkten Zugang zu Teilhabe und Mitsprache (und damit auch Macht!). Nicht jeder Mann, der alt und weiß ist, gehört für Sie automatisch zum Feindbild „alter weißer Mann“. Aber der klassische weiße Mann hat große gesellschaftliche Macht, die er nicht nur wahrnimmt, sondern auch für selbstverständlich hält.

 

Als Gesprächspartner hat Sie sich (die Kriterien der Auswahl bleiben unklar) vor allem Journalisten wie Christoph Amend oder Ulf Poschardt, Politiker wie Robert Habeck und Kevin Kühnert und Blogger wie Sascha Lobo ausgesucht. Ich gebe zu, manche von den Gesprächspartnern musste ich erst einmal im Internet nachschauen, da ich Sie nicht kenne bzw. mir manchmal eher das Gesicht als der Name bekannt war. Für mich gehörten zu den interessantesten Gesprächen aber die mit denen, die aus einem anderen beruflichen Feld kommen wie beispielsweise der Koch Tim Raue oder der Sportkommentator Marcel Reif.

 

In dem in dem Buch gesammelten Interviews werden auch immer wieder Aussagen von der sich selber als Feministin bezeichneten Autorin eingestreut: Mit dem Label alter weißer Mann ist in der Regel der etablierte weiße Mann gemeint. Aber ist der Kontrollverlust des alten weißen Mannes gleichbedeutend mit dem Niedergang des Westens? Keiner von uns kann aus seiner Haut, und Männer bleiben, selbst wenn sie reflektieren, weiterhin eben Männer, die von dem System um sich herum profitieren.

 

Gut fand ich in dem Buch, dass neben manchmal sehr theoretischen Diskursen auch von den Interviewpartner auch gesellschaftliche Dinge angesprochen werden: Es geht auch immer die Arbeit, beispielsweise darum, dass Frauen sich um Menschen kümmern und das wird schlecht bezahlt, Männer kümmern sich um Maschinen und das wird besser bezahlt. Und da wird es mich dann konkret und politisch. Männer haben oft Probleme mit der eigenen Fehlbarkeit, das widerspricht dem gesellschaftlichen Ideal von Männlichkeit. Frauen müssen sich immer etwas beweisen.

Etwas weniger Ehrfurcht und Bewunderung der Autorin für einzelne Interviewpartner würde dem Buch guttun. Aber trotzdem ist es kurzweiliger und teilweise witziger Galopp durch verschiedene Ansichten über Feminismus und weiße alte Männer, aber nicht sehr analytisch. Es geht auch um Frauenquoten und gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten. Feminismus fordert der Gesellschaft Änderungen ab, die Männer dazu zwingen, ihr Verhalten ein wenig rücksichtsvoller zu gestalten.

Im Untertitel des Buches steht „Ein Schlichtungsversuch“. Mir ist nicht klar geworden mit wem oder aus was dieser Schlichtungsversuch besteht.

 

Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft, Medien sind alte weiße Männer. Aber beispielsweise Männer aus der Wirtschaft (abgesehen vom Sterne Koch) fehlen in dem Buch.

In dem Buch werden aber auch bedenkenswerte Aussagen über Feminismus getroffen:
Man ist nie fertig. Es gibt keinen Endpunkt, an dem man sagen kann, alles ist fertig. Wer Frauen erst gleichbehandelt, weil ein Gesetz ihn dazu zwingt, behandelt Frauen eben nicht gleich.

 

In einem Interview werden dann auch Antworten auf die Frage „Was muss passieren?“ versucht: Frauen ausreden lassen, Reflektion über die Aufteilung der Reproduktionsarbeit. Alle Geschlechter haben gleich viel Macht, die Umstände zu verändern.

 

Im Schluss beschreibt die Autorin in komprimierter Form noch mal Ihre Sicht der Dinge: Der weiße alte Mann kann ein Feindbild, aber auch eine Selbstbeschreibung sein. Männer, die sich und ihrer Umwelt mit Respekt, Humor und Aufmerksamkeit begegnen, können dem entgegenwirken.

 

Fazit:

Der Kampf um Gleichberechtigung bleibt anstrengend. Feminismus ist ein Bekenntnis zum Wandel. Er will eine gerechte und keine bequeme Gesellschaft. Das Buch bietet keine fertigen Lösungen, aber vielleicht den ersten Schritt dahin – die Einladung zum Nachdenken über sich selbst, zum Austausch, zur Klärung von Missverständnissen, zum Finden von Gemeinsamkeiten. Und das ist doch schon etwas.

Jürgen Döllmann

 

 

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