Neumann / Süfke, Den Mann zur Sprache bringen.

Wolfgang Neumann/Björn Süfke, Den Mann zur Sprache bringen. Psychotherapie mit Männern. dgvt-Verlag, Tübingen 2004. ISBN 3-87159-045-2. 277 Seiten, 19,80 €.

 

In der amerikanischen Mafiakomödie Reine Nervensache aus den 90er Jahren spielt Robert de Niro den in einer persönlichen Lebenskrise steckenden Mafia-Gangster, der einen Therapeuten aufsucht. Es ist ein typischer Hollywood-Film ohne großen Tiefgang. Allerdings: Der Film lebt in seinen komischen Momenten davon, dass hier ein bestimmter (im Film gewiss überzeichneter) Typ von Mann sich in psychotherapeutische Behandlung begibt, von dem man es am allerwenigsten erwartet …

An diesen Film fühlte ich mich etwas erinnert, als ich das Buch von Wolfgang Neumann und Björn Süfke las. Denn Männer gelten gemeinhin als eher therapieresistent, als schwierige Klientel für Psychotherapeuten. Die Autoren leugnen die Schwierigkeiten nicht. Aber sie bleiben nicht bei der Klage darüber stehen, sondern wollen sichtbar machen, warum Männern der Gang zum Therapeuten in der Regel so schwer fällt und welche Konsequenzen daraus für die psychotherapeutische Arbeit mit Männern zu ziehen sind. Ein Buch also, das zunächst und vor allem für in der Beratung mit Männern tätige Therapeuten und Therapeutinnen (siehe den Hinweis auf S. 17) geschrieben ist. Ihnen sollen mit Hilfe zahlreicher Fallbeispiele aus der Praxis für die Praxis konkrete Anregungen für eine gelingende „Männertherapie“ gegeben werden. So tritt denn auch im Buch eine bunte Schar von Männern mit ihren je spezifischen Lebensfragen und Problemen auf. Liebe- und respektvoll werden sie von den Autoren vorgestellt und porträtiert. Und auch von den Befindlichkeiten des Therapeuten (hier vor allem des Co-Autors Wolfgang Neumann) im Umgang mit seinen männlichen Klienten erfährt man eine ganze Menge. Weil das ganze auch recht flott und zuweilen amüsant geschrieben ist, wird die Lektüre trotz der mehr als 30 (!) Männer, die in Teil 3 vorgestellt werden, nicht langweilig.

Ausgangspunkt und Anliegen des Buches werden knapp auf S. 16 formuliert: „Männer verlieren im Laufe ihrer Kindheit/Jugend immer mehr den Zugang zu ihren eigenen Impulsen. Um diesen Zugang wiederherzustellen, müssen wir den Mann zu Sprache bringen!“ Der erste Satz formuliert keine neue Erkenntnis. In der Männerforschung wurde und wird das beredte Schweigen der Männer, wenn es um die eigene Innenwelt geht, immer wieder thematisiert und vor allen Dingen mit dem männlichen Sozialisationsprozess in Verbindung gebracht. Neumann/Süfke referieren dazu in Teil 1 des Buches die bekannten Thesen von Lothar Böhnisch und Reinhard Winter zur männlichen Sozialisation und Lebensbewältigung. Der zweite Satz formuliert das Anliegen, das auch dem Buch seinen Titel gegeben hat: „Den Mann zur Sprache bringen“. Teil 2 (ärgerlich, dass in den Kopfzeilen der entsprechenden Seiten jeweils Teil 1 steht) beschreibt, wie dies in psychotherapeutischer Praxis geschehen kann, benennt Wege, aber auch Fallen und Stolpersteine. So enthält dieser Teil zwar im strengen Sinne kein umfassendes „Manual“ für die Psychotherapie mit Männern, wohl aber „erfahrungsgesättigte“ Anregungen und Hinweise für Praktiker in der Männerberatung. Gerade an diesen Stellen hätte ich mir allerdings mehr Lesefreundlichkeit etwa durch entsprechende graphische Aufbereitung gewünscht; vieles an wertvollen Einsichten versteckt sich so leider in der Bleiwüste des Fließtextes.

Die im Buch verteilten Illustrationen „Typologie des Schweigens I–VI“ sind Geschmackssache; mich persönlich haben sie nicht besonders angesprochen. Ein Literaturverzeichnis und Kurzporträts der Autoren beschließen den Band. Für alle, die in der Männerberatungsarbeit stehen, lohnt sich auf jeden Fall die Anschaffung des Buches, aber auch allgemein an der Männerthematik interessierte Leser können in diesem Buch manch Spannendes, wenn auch nicht unbedingt Neues erfahren.

 

Andreas Ruffing

 

 

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