Martin, Eine Brücke bauen

Martin, James, Eine Brücke bauen. Wie katholische Kirche und schwule, lesbische, bisexuelle und trans*Menschen zu einer wertschätzenden Beziehung finden, Ostfildern (Patmos) 2018.

 

Zunächst einmal: jeder Beitrag, der geschrieben wird, um die Anerkennung von LSBTI-Menschen und ihrer Lebensformen zu befördern, ist zu begrüßen. Auch dieses Buch des amerikanischen Jesuiten James Martin fällt in diese Kategorie. Gerade innerhalb der Kirche kann es nicht genug Menschen geben, Priester zumal, die für eine generelle Akzeptanz von LSBTI-Identitäten eintreten. Dennoch ist das Buch, dessen Autor vom Verlag als „New York Times Bestseller Autor“ vorgestellt wird, nun ja, Geschmackssache.

Im Kern geht es um die Interpretation der drei Begriffe im Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) „Respekt, Mitfühlen und Empathie“ für den kirchlichen Umgang mit homosexuellen Menschen. Dies allein ist schon gewagt, finden doch viele „betroffene“ LSBTI-Menschen genau diese Begriffe im KKK herablassend und im Kontext der übrigen Ausführungen herabwürdigend. Nichts ist für sie positiv an der Tatsache, dass LSBTI-Menschen ihre Identität (schweren Herzens, meint man im Text des KKK zu erspüren) zugestanden wird, ihnen aber abgesprochen wird, eine Beziehung zu einem gleichgeschlechtlichen Partner haben zu dürfen. Diese drei Begriffe aber dann auch als Aufforderung an die LSBTI-Community zu richten, diese möge doch ebenfalls Respekt, Mitfühlen und Empathie für die Amtsträger der Kirche empfinden, die ihnen ihre vollständige Anerkennung verweigern, dehnt doch die Aussagen des KKK in eine, gelinde gesagt, gewagte Richtung. Warum nur hat Martin den KKK zur Grundlage seines Essays gemacht? Warum nicht eigenständig theologisch argumentiert, sondern ein Dokument der Kirche verwendet, dessen lehramtliche Dignität zumindest umstritten und dessen theologische Argumentation nicht mehr zeitgemäß ist?

In der Sache ist Martin natürlich zuzustimmen, dass es nichts bringt, dass sich „beide Seiten“, „Betroffene“ und „Amtskirche“, herabwürdigen und beleidigen. Dass Martin zwischen „beiden Seiten“ vermitteln möchte, um Inklusion für LSBTI-Menschen zu erreichen, ist absolut anerkennenswert. Man muss miteinander reden, sich begegnen und sich schätzen lernen, ja. Zumindest für Deutschland ist aber zu fragen, ob sich „beide Seiten“ wirklich so verhärtet gegenüberstehen, dass sie zu Respekt und Empathie ermahnt werden müssten. Die Menschen, die in kirchennahen LSBTI-Gruppierungen engagiert sind, kenne ich bisher nur als kommunikativ und verständnisvoll für die Haltung der Kirche. Dass sie in der Sache allerdings weiter vehement beklagen, dass ihnen die vollständige Anerkennung fehlt und sie diese laut und deutlich fordern, ist allerdings auch verständlich. Solange sie es tun, sind je jedenfalls noch da. Denn viele LSBTI- Menschen haben schon längst frustriert der Kirche den Rücken gekehrt.

Eine theologisch vertiefte Auseinandersetzung mit der überholten Bewertung des KKK zur Homosexualität findet jedoch in dem Buch leider nicht statt. Mit einer für viele Seelsorger so typischen Haltung des „Wir sollten uns alle liebhaben“ kommt man in der Verhältnisbestimmung von Homosexualität und Kirche allerdings nicht weiter. Respekt voreinander ist eine Selbstverständlichkeit in einer Auseinandersetzung auf Augenhöhe. In der Sache geht es aber um nicht weniger als eine umfassende theologische Revision der Bewertung von Homosexualität, und zwar mit theologischen Argumenten, nicht mit pastoralen Appellen, so ehrenwert sie auch sind. Sie bergen nämlich die Gefahr, dass hier die Anliegen „beider Seiten“ auf dieselbe Stufe gestellt werden. Dies ist aber nicht der Fall, weil die Argumente der kirchlichen Lehre auf Hypothesen fußen, die humanwissenschaftlich längst überholt sind. Von der Lebenspraxis LSBT-Menschen ganz abgesehen. Sie haben schon lange bewiesen, dass es nicht nur LSBT-sexuelles Verhalten gibt, sondern gleichgeschlechtliche Liebe. Der Kirche eine Brücke zu bauen, dies zu sehen und anzuerkennen, wäre eine wertvolle Arbeit.

 

Dr. Andreas Heek, Leiter Arbeitsstelle Männerseelsorge und Männerarbeit in den deutschen Diözesen e.V. und Sprecher des Arbeitskreises Homosexuellenpastoral der deutschen Diözesen.

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