Jürges, Siegrist, Stiehler (Hg.), Männer und der Übergang in die Rente

Hendrik Jürges, Johannes Siegrist, Matthias Stiehler (Hg.), Männer und der Übergang in die Rente, Vierter Deutscher Männergesundheitsbericht
Psychosozial Verlag, Gießen 2020

Der vierte Männergesundheitsbericht befasst sich als Sammelband mit gesundheitsrelevanten Aspekten einer besonders wichtigen Lebensphase, den Jahren vor und nach der Berentung. Der Bericht liefert Antworten auf Fragen nach der besonderen Relevanz dieser Phase, weist auf besondere gesundheitliche Gefährdungen sowie auf positive Aspekte für Gesundheit und Wohlbefinden hin.

In einem ersten Teil wird die gesundheitliche Lage von Männern im Altersbereich zwischen Mitte 50 und 70 behandelt. Neben Krankheiten (und deren Prävention) und der Frage ob Männer gesünder als früher seien geht es um Psychische Störungen von Männern im Mittleren und höherem Lebensalter. Besonders fand ich die Fragen nach den sozialen Unterschieden in der Gesundheit von Männern beim Übergang in den Ruhestand interessant. Ergebnisse, die meiner Meinung nach viel mehr berücksichtigt werden müssten. Und ein besonderer Aspekt, auf den in einem Artikel hingewiesen wird, ist der des hohen Anteils von unbehandelten Depressionen bei Männern.

Im zweiten Teil steht die gesundheitliche Lage arbeitender Personen in den letzten 10 Jahren vor der Berentung im Mittelpunkt. Es geht um selbst eingeschätzter Gesundheit und dem Plan, früher in Rente zu gehen. Weiterhin werden die Themen Teilnahme an Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung sowie psychosoziale Arbeitsbelastungen, insbesondere die soziale Ungleichverteilung behandelt.

Schließlich steht in einem größeren dritten Teil die konkrete Übergangsphase in den Ruhestand und die vielfältigen Veränderungen sowie die ersten Jahre als Rentner im Vordergrund. Oft wird ja von einem insbesondere für Männer kritischem Lebensereignis gesprochen. Dieses muss nach Erkenntnissen der Autoren differenziert nach beruflichen Vorerfahrungen und Freiwilligkeit des Eintritts betrachtet werden. In mehreren Beiträgen wird der Zusammenhang zwischen subjektiven Gesundheitszustand und Erwerbstätigkeit im Ruhestand thematisiert. Beiträge zur psychischen Gesundheit älterer Migranten sowie zu den Auswirkungen sozialer Netzwerke auf die Gesundheit im Ruhestand runden das Kapitel ab.

Abschließend werden in einem Praxisteil einzelne Modellvorhaben zur Gestaltung des Renteneintritts und des Ruhestands vorgestellt. Das sind beispielsweise gesundheitsfördernde Aspekte mit Lebenslagenbezug wie Angebote von Seminaren und Einzelcoaching für Berufstätige, die sich auf die Rente vorbereiten sowie Mehrgenerationenhäuser, Bewegungsförderung und neue Wohnkonzepte für ehemals wohnungslose Männer.

 

Schlussfolgerungen: Ein wichtiger Handlungsbedarf ergibt sich für die Autoren daraus, dass die soziale Ungleichheit weit verbreitet sind, und das insbesondere psychische Störungen im Alter weiter fortbestehen. Daher erfordert die Frage nach Auswirkungen des Übergangs in den Ruhestand für Männer eine differenzierte Betrachtung: Für viele Männer überwiegen die positiven Aspekte des Ruhestands wie Ehrenamt, Hobbies, mehr Zeit für sich. Gleichzeitig sind für viele ungünstige Bildungs- und Berufsverläufe sowie mangelnde verfügbare soziale Netzwerke, die für viele Männer belastend wirken. Für alle Männer gilt die Forderung nach effektiven und angepassten Männergesundheitskampagnen, die an den Lebensverhältnissen und Arbeitsbedingungen der Menschen ansetzen.

 

Das Buch bietet eine Vielzahl von Anregungen für neue Zielgruppenarbeit und für konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Männern in diesem Lebensabschnitt. Aufgrund der Tatsache, dass in den kommenden Jahren die geburtenstarken Jahrgänge das Rentenalter erreichen, besteht die erhöhte Notwendigkeit, sich mit Prävention und Gesundheitsförderung zu befassen. Denn die gesunde Lebensarbeitszeit muss an die Erhöhung der allgemeinen Lebenserwartung angepasst werden. Außerdem zeigen Studien, dass traditionelle Männlichkeitsbilder das Altern erschweren. (denn diese können im Alter nicht mehr uneingeschränkt erfüllt werden). Daher bedürfen sie einer individuellen Veränderung. (gesunde Ernährung, Rauchen, Normalgewicht körperliche Aktivität, moderater Alkoholkonsum) und einer gesellschaftlichen Verbesserung (Beratungsangebote über förderliche und weniger förderliche Formen der Zeitverwendung sowie die Vorteile eines sozial aktiven Lebens). Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine privilegierte Betrachtung von Männern in Zusammenhang mit einer schlechteren Erreichbarkeit über Präventionsprogrammen eine Art „Männervergessenheit“ bedeuten könnte.

Jürgen Döllmann

Stichworte: Männlichkeit, Männer heute, Männergesundheit

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