Jamin / Vögeli, Männer wollen immer, Frauen können immer.

Peter Jamin/Thomas Vögeli, Männer wollen immer, Frauen können immer. Alles, was Männer über Sexualität wissen sollten. mvg Verlag, Heidelberg 2005. ISBN 3-636-06253-0. 264 Seiten, € 14,90.

 

„Alles, was Männer über Sexualität wissen sollten“: Es ist etwas mehr, als man unbedingt wissen müsste. Und zugleich nicht alles. Aber das kann man auch nicht unbedingt erwarten.

Zuerst zu dem, was man erfährt. Und das ist eine Menge. In vier Kapiteln – „Lügen“, „Leiden“, „Lieben“ und „Lust“ – werden die verschiedensten Aspekte männlicher Sexualität angeschnitten. Und wenngleich sich das Buch vornehmlich an Männer richtet, ist es sicherlich auch für Frauen interessant – wie das zweite Vorwort von den Frauen der Autoren erläutert.

Das Kapitel „Lügen“ öffnet mit der Frage: „Was ist der Mann? Eines ist er sicher nicht: ein Sexmonster; ein Versager im Bett; ein Wrack; eine Katastrophe.“ (S. 13) Die Autoren stimmen also nicht in ein weit verbreitetes Klagelied ein, sondern bemühen sich um Realismus und Differenzierung. Sie sehen die Männer nicht nur als Verstandeswesen, sondern betonen die Bedeutung von Gefühlen – die Mann auch zeigen darf. Und nicht alles, was man über das typische Verhältnis und das Verhalten von Mann und Frau zu wissen glaubt, lässt sich bestätigen. Vielmehr kommen Umfragen und Untersuchungen zu manchmal erstaunlichen Ergebnissen: Wenn Mann dachte, dass er bei der Partnerwahl der Jäger und nicht der Gejagte ist … (vgl. S. 32-34).

Doch dass Jamin und Vögeli diese Erhebungen auch kritisch hinterfragen (wie auf S. 15 f.), ist die Ausnahme. Dabei wundert man sich, was nicht alles schon untersucht wurde: Handynutzung während des Sex, Penislänge, bevorzugte Orte beim Küssen, Sexdauer in verschiedenen Ländern usw. Und wahrscheinlich gerade deshalb benutzen die Autoren diese Studien so gerne: Das Buch soll unterhaltsam sein (vgl. S. 7). Das ist es auch. Doch immer wieder fragt sich der Rezensent: Was bringen ihm jetzt die präsentierten Informationen – außer Unterhaltung?

Das gilt aber am wenigsten für das Kapitel „Leiden“. Hier zahlt es sich aus, dass einer der beiden Autoren Professor für Urologie ist. Körperliche Vorgänge werden dargestellt, die verschiedensten Störungen und Krankheiten, die mit der Sexualität verbunden sind (von Erektionsproblemen bis Tripper), erläutert. Der wichtigste Ratschlag für alle Männer: Nehmt eure Leiden ernst und scheut euch nicht, zum Arzt zu gehen. Wo der helfen kann und wo nicht, wird erklärt. Das Buch hat also durchaus stellenweise Qualitäten als Ratgeber, vor allem in diesem Kapitel und auch in der Rubrik „Eine Frage, Herr Doktor“, die sich am Ende jedes Unterkapitels findet. Aber auch unter „Leiden“ finden die Autoren noch genug Absonderliches zu berichten, etwa fernöstliche sexuelle Störungen oder Beispiele aus der Notfallambulanz, in die manche Sexualpraktiken führen.

Mehr um die Beziehung als um die Sexualität im engeren Sinne geht es im Kapitel „Lieben“: Von Liebe am Arbeitsplatz, Liebeskummer, Seitensprung & Co. wird berichtet. Das Kapitel „Lust“ handelt dann über Themen wie „Lebenslanges Lernen auch im Bett“, „Porno, Puff & Partnertausch“ oder „Abstinenz bis Zölibat“. Über diese beiden Kapitel lässt sich sagen: Es finden sich durchaus hilfreiche Informationen, Hintergründe werden aufgedeckt, die Vielfalt der Sexualität scheint auf – aber: Vieles wird nur kurz angerissen; etliches wird wohl nur um der Unterhaltung willen erzählt; manches hätte man sich eher sparen können.

Ein Fazit fällt dem Rezensenten schwer. Auf Seite 184 wird in der Rubrik „Eine Frage, Herr Doktor“ das Problem behandelt: „Wie ist ein Seitensprung moralisch zu bewerten?“ Nach Hinweisen auf den Wertewandel und die Individualisierung der Moral heißt es: „Für jemanden, der Verantwortung für das Wohlbefinden der Partnerin übernimmt, gibt es eine klare Antwort.“ Immerhin! Ansonsten scheinen die Autoren eher für Freiheit im sexuellen Verhalten zu stehen. Aus katholischer Sicht müsste man aber manches umfassender in den Kontext von Beziehung und (nicht nur gegenseitiger) Verantwortung einordnen.

Dennoch: Jamin und Vögeli sehen deutlich den Unterschied zwischen bloßem Sex und Liebe (vgl. S. 215) und geben auch Ratschläge für die Partnerschaft. Ihnen ist gewiss zuzustimmen, wenn sie immer wieder betonen, wie wichtig es ist, in einer Beziehung offen über alles zu sprechen – auch über Sexualität. Und ein zweites: Das Buch kann durch seine informativeren Teile wohl so manche Unsicherheit nehmen und vor einigem warnen; v. a. ist aber zu wünschen, dass es Männer dazu ermuntert, im Bedarfsfall zum Arzt oder zum Paartherapeuten zu gehen – und nicht erst, wenn es für die Gesundheit oder die Partnerschaft zu spät ist.

 

Martin Hochholzer

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