Horx, Future Love. Die Zukunft von Liebe, Sex und Familie

Matthias Horx, Future Love. Die Zukunft von Liebe, Sex und Familie

Deutsche Verlags Anstalt, München, 2017

 

Vor einigen Jahren habe ich im Erzbistum Köln eine Zukunftswerkstatt zu Fragen, wie Menschen 2035 lieben werden, veranstaltet. Wir haben u.a. Psychologen, Soziologen und eine Partnervermittlungsagentur eingeladen, mit uns eine Prognose über zukünftige Partnerschaftsformen zu wagen. Am Ende mussten alle ehrlich gestehen: „Wir können darüber eigentlich nicht viel sagen.“ Außer unsere persönlichen, vielleicht „frommen“ Wünsche, wie wir als Kirche die Entwicklung gerne sähen und dass wir es vermögen, die Entwicklungen der Gesellschaft einfühlsam begleiten zu können – persönlich und institutionell.

Future Love von Matthias Horx

So oder ähnlich müsste auch das Resümee von Matthias Horx, dem Autor des Buches „Future Love“ lauten. Tut es aber nicht. Weil er sonst den interessant und instruktiv klingenden Titel nicht verwenden könnte. Und so entwirft er im letzten Teil des Buches konsequenterweise drei „Szenarien“, von denen zwei eigentlich auch in den Augen des Autors das Präfix „Horror“ („techno-erotisch“ und „liquid love“) verdient hätten und eines das Präfix „Wunsch“(„koevolutionär“). Horx sagt das zwar nicht, aber seine Bewertung klingt irgendwie doch durch. Das macht die sicher aufwändigen, wohl aber auch nur, Internetrecherchen für das Buch nicht wirklich erhellend. Und manche Szenarien sind so schräg, dass kaum vorstellbar ist, dass sie den Mainstream erreichen werden. Ob Horx wirklich ein Gespür für Trends hat?

Der erste Teil des Buches ist hingegen der Vergangenheit gewidmet, woher in der Entwicklung des Menschen Liebe und Familie kommen. Hier trägt er einiges zusammen, was aber eigentlich einigermaßen schon bekannt ist, wenn man sich mit dem Thema Familie ein wenig beschäftigt hat. Und eine wirklich fundierte historische Analyse liefert er nicht, was aber interessant gewesen wäre.

Der stärkste Teil ist der zweite, in dem die gegenwärtige Kultur des Liebens in vielen Schattierungen gezeichnet werden. Besonders interessant ist die Analyse zur Partnerschaftswahl im Internet und wie schwierig es ist, digital die Richtige bzw., den Richtigen zu finden. Dies ist nicht wirklich neu, aber doch interessant zu lesen. Leider fehlt hier der, wie ich finde, wichtige Hinweis auf die sogenannte „Co-Elternschaft“, bei der Liebesbeziehung und Elternschaft komplett getrennt werden, um möglichen schmerzhaften Paartrennungen vorzubeugen. Und vielleicht fehlen noch einige andere mögliche Paar- und Familienkonstellationen.

Man wird eigentlich beim Lesen die ganze Zeit den Gedanken leider nicht los, dass der Autor seine eigene Findungsphase zu einer dauerhaften, monogamen Partnerschaft als ideal (und heldenhaft?) ansieht, einschließlich prachtvollen eigenen Kindern und Schneeschuhwanderung mit Freundes-Paaren, mit denen er sich an seinem 60. Geburtstag in den Alpen umgeben hat und auf seinen Lebensverlauf zufrieden zurückblickt. Auch wird er nicht müde, genüsslich über die „wilden“, irgendwie auch verfehlten, aber doch letztlich geilen Zeiten seiner eigenen „68er“ Jahre zu erzählen, wo liquid love wenigstens noch analog stattgefunden hätte und man nicht so unendlich wählerisch gewesen wäre wie die mehrfach erwähnte 44jährige hübsche Frau, der letztendlich bei einem Date nur das T-Shirt des Gedateten nicht gefallen habe. (Obwohl richtig gerechnet seine 68er-Zeit in den 70er Jahren stattgefunden haben muss.) Dies alles sei dem Autor von Herzen gegönnt. Ich frage mich aber: Muss ich so etwas lesen, wenn ich Neues erfahren möchte über gegenwärtige und zukünftige Partnerschaft? Meine Antwort lautet: nein. Da liest man mit größerem Gewinn sicher die tiefgründigen soziologischen Untersuchungen von Eva Illouz „Warum Liebe wehtut“ oder das auch in diesem Buch mehrfach zitierte Werk von Hartmut Rosa „Resonanz“. Hier hat der DVA-Verlag ein Buch herausgebracht, das landläufig als „populärwissenschaftlich“ bezeichnet werden kann und dem leider der analytische Tiefgang fehlt.

Aber wer noch nie etwas über moderne Partnerschaftsformen gelesen hat und einen ersten Überblick möchte und sich ansprechen lässt von der Coolness der Sprache und der heimlichen Freude am Recherchieren von schrägen Möglichkeiten „Liebe“ bzw. „Sex“ zu leben, findet hier sicher einige interessante, noch nicht so bekannte Aspekte.

Dr. Andreas Heek

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