Habeck, Verwirrte Väter.

Robert Habeck, Verwirrte Väter. Oder: Wann ist der Mann ein Mann. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2008. ISBN 978-3-579-06989-0. 222 Seiten, € 16,95.

 

Um es gleich am Anfang zu sagen: Den vom Verlag (?) wohl zur Verkaufssteigerung gewählten Titel samt Untertitel des Buches von Robert Habeck finde ich reichlich unpassend. Oder sagen wir es noch deutlicher: Ich finde ihn geradezu dämlich. Für mich ruft er Assoziationen wach an jene in den 90er Jahren in Filmen wie „Drei Männer und ein Baby“ bedienten Klischees vom tollpatschigen Mann, der orientierungslos und verwirrt durch die „terra incognita“ von Hausarbeit und Babypflege stolpert. Genau das aber ist überhaupt nicht die Stoßrichtung in Habecks Buch. Sein Thema ist vielmehr der permanente Druck, dem sich Väter heute ausgesetzt sehen. In einer immer schneller und härter werdenden Arbeitswelt wird an sie die Anforderung gestellt, beruflich erfolgreiche Ernährer zu sein. Und zugleich sollen sie im Leben ihrer Kinder präsente und aktive Familienväter sein. Was Habeck beschreibt, ist das massive Vereinbarkeitsdilemma heutiger Männer, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen wollen. Und dass dies dann möglicherweise junge Männer davon abhält, Väter zu werden, wie aktuelle Studien nahelegen. Wie gesagt: Von „verwirrten“ Vätern an dieser Stelle zu reden, trifft nicht den Kern der Sache.

Nach Erscheinen hat das Buch in der Öffentlichkeit schnell Aufmerksamkeit gefunden, wie Rezensionen und Interviews mit dem Autor in verschiedenen überregionalen Zeitungen belegen. Was macht Habecks Buch so interessant, vielleicht auch so lesenwert? Denn mit seiner These, dass Väter heute zwischen widersprüchlichen Anforderungen aufgerieben werden, sagt er ja nichts Neues. Ein Grund für das Interesse liegt sicher in der Person des Autors selber. Robert Habeck, Philosoph und Germanist, ist Vater von vier Söhnen, Hausmann, schreibt mit seiner Frau zusammen Bücher – und ist Landesvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein. Und diese bunten biografischen Details merkt man dem Buch an. Sympathisch auf jeden Fall: Habeck ist Vater und er ist es gerne. Entsprechend engagiert und geerdet schreibt er. Als Philosoph und Germanist ist er zudem aufgeschlossen für die historischen Implikationen seines Themas. So nimmt er in aller Kürze seine Leser mit auf eine spannende, zuweilen in den historischen Urteilen einseitig zuspitzende Kulturreise durch die Geschichte der Vaterschaft. Und Habeck ist Politiker. Und so ist sein Buch gerade im letzten Teil eine politische Streitschrift, in der er vehement eine neue Arbeitszeitkultur fordert, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter und Väter ermöglicht. Hier wie auch im ersten Teil des Buches, in dem er die heutige Wirklichkeit von Vätern beschreibt, kritisiert Habeck übrigens massiv die aktuelle Familien- und Geschlechterpolitik.

Da das Buch flott, mit Lust zu Zuspitzungen und Provokationen geschrieben ist, fällt das Lesen überdies leicht. Ein Beispiel gefällig? Die oft beschriebene Traditionalisierungsfalle junger Paare nach der Geburt des ersten Kindes kommentiert Habeck wie folgt: „Plötzlich und irgendwie überraschend ist es da, das große Gefühl, nicht nur sich selbst verpflichtet zu sein. Und es ist ein Gefühl, das vor allen Dingen Männer haben. Frauen weichen diesem Druck offensichtlich und statistisch nachweisbar aus, indem sie ihn ebenfalls auf den Mann übertragen … Ich jedenfalls kenne eine Reihe von Paaren, in denen die Frau ihrem Partner nach der Geburt des Kindes unmissverständlich gesagt hat, dass jetzt die Zeit des Lotterlebens, der Minijobs und des Prekariats vorbei zu sein habe und die erste Vaterpflicht sei, Kohle ranzuschaffen. Und alle Frauen, die das sagten, waren selbstständig, berufstätig und stark.“ Und die Folgerung, die Habeck daraus zieht? „Moderne Väter erfordern offensichtlich auch moderne Frauen“ (S. 21 f.). Zur aktuellen Debatte um die Väter und eine vätergerechte Familien- und Arbeitspolitik bietet Robert Habeck einen unbedingt lesenwerten Beitrag, der pointiert Stellung bezieht und dies im Grunde auch dem Leser abverlangt. Sicher ein dicker Lesetipp in diesem Herbst und Winter!

 

Andreas Ruffing

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