Gruner / Kuhla (Hrsg.), Befreiungsbewegung für Männer.

Paul-Hermann Gruner / Eckhard Kuhla (Hrsg.), Befreiungsbewegung für Männer. Auf dem Weg zur Geschlechterdemokratie – Essays und Analysen (Sachbuch Psychosozial). Psychosozial-Verlag, Gießen 2009. ISBN 978-3-8379-2003-1. 427 Seiten, € 29,90.

 

Zorn – ja, er ist schon etwas zu spüren. Aber dann doch nicht so stark, wie ich erwartet hätte. Trotzdem: In dem Buch geht es um das, was auf dem Titel draufsteht: dass die Männer aufstehen, eine Bewegung bilden und sich befreien. Befreien vom „organisierten Feminismus“, von einem System, das in Gesellschaft und Politik fest etabliert ist, das die Deutungshoheit errungen hat, einseitig Frauen begünstigt und die berechtigten Interessen von Männern geflissentlich übersieht.

Eine überzogene Ansicht der Herausgeber? Die 20 Beiträge bringen jedenfalls viele handfeste Argumente und Zahlen. Sie identifizieren Benachteiligungen und falsche Bilder von Männern in den verschiedensten Bereichen: in der (Gleichstellungs-)Politik, die fast nur die Frauen im Blick hat; in der Berufswelt, die Männer nicht nur als Vorstände von Dax-Unternehmen kennt; in Familie, Ehe und speziell bei Scheidungs- und Besuchsrechtsfragen, wo Männer verzweifelt und oft vergeblich um Zugang zu ihren Kindern kämpfen; im Bereich der Gewalt, die nicht nur männlich, sondern auch weiblich ist; oder auf dem Gebiet der Gesundheit, wo die deutlich geringere Lebenserwartung von Männern zu denken gibt.

Viel Stoff zum Streiten; und man muss auch nicht mit jeder geäußerten These übereinstimmen. Umgekehrt kann man das Buch aber auch keineswegs als einseitiges Pamphlet von frauenhassenden Antifeministen abtun. Denn so sehr auch verschiedentlich in dem Buch ein überzogener, männerverachtender Feminismus verurteilt wird: An anderer Stelle werden z. B. ohne weiteres die Errungenschaften des Feminismus gewürdigt (S. 323 f.). Trotz aller Leidenschaftlichkeit und deutlicher Worte bemühen sich die Autoren – und Autorinnen! – um ein differenziertes, ausgewogenes Bild.

Das Ergebnis ist ein unbequemes Buch, das den Blick schärft – oder überhaupt erst öffnet – und das Forderungen stellt: „Mithin ist dies der Soll-Zeitpunkt für eine Männerbewegung, die die Frauenbewegung notwendig ergänzt und unbedingt korrigiert“ (S. 11). Zugleich ist das Buch ein Teil dieser bereits erfolgenden Ergänzung und Korrektur: Man denke nur an die neueste Männerstudie von GKMD und evangelischer Männerarbeit, die ja auch ein Indiz für einen allmählichen Wandel der Gleichstellungspolitik ist. Freilich ist es bis zu einer wirklichen Gleichstellung von Frauen und Männern noch ein weiter Weg; und es ist zu hoffen, dass die sich entwickelnde Männerbewegung nicht in das andere – radikal antifeministische – Extrem fällt, sondern es wirklich – wie in dem Buch bereits vorexerziert – zu einer konstruktiven Zusammenarbeit von Männern und Frauen kommt.

Insgesamt also ein wichtiges, anregendes und auch aufregendes Buch – für Männer und Frauen!

 

Martin Hochholzer

 

 

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