Fastenimpulse 2023 – 3. Fastensonntag

Das Wasser reichen – das Wasser empfangen?!

Vor etwa zwei Jahren ist Dieter gestorben. Er war Gast unserer Mittagstisch- und Lunchpaketausgabe, die wir für Menschen, die von Armut und Ausgrenzung bedroht und betroffen sind in Köln Porz eingerichtet haben. Viel haben wir nie über ihn erfahren. Mehrere Jahre lebte er auf der Straße; die hat er als seinen Lebensmittelpunkt gewählt. Meist saß er am Porzer Markt und ist so für einige Bürger:innen zu einer Porzer Persönlichkeit geworden. Manchmal erzählte er ein wenig von seinem Leben; viel häufiger jedoch schwieg er und hörte zu was andere zu sagen hatten.
Im Dezember ist Dieter gestorben; in einem Krankenhaus. Erst später haben wir von seinem Tod und seiner anonymen Bestattung erfahren. Sein Tod hat viele von uns getroffen: Er und wir konnten uns nicht verabschieden. Wir haben dann eine kleine Andacht vorbereitet und für ihn in St. Josef in Porz gebetet. Für mich eine der emotionalsten Gottesdienste meines Lebens. Viel waren da. Gäste vom Mittagstisch, Ehrenamtliche, Menschen aus Porz, Freund:innen von Dieter.

Seit dieser Zeit bin ich den meisten unserer Gäste nicht nur als Einrichtungsleiter des SKM Köln, sondern vielmehr als Seelsorger bekannt, zu dem sie kommen, mit dem sie sprechen, dem sie etwas anvertrauen oder den sie um das Gebet bitten können. Regelmäßig gehe ich hierzu mit einigen zum nahegelegenen Rhein oder in den Park.

Wieso erzähle ich das? Vielleicht geht es Dir auch so? Da ist eine Rolle, eine Selbstbild, welches sich im Laufe der Zeit immer tiefer einprägt. Ein Bild, das mir gefällt, in dem ich mich gut wiedererkenne.

So ging es mir vielleicht auch als Seelsorger; als Diakon, der für Menschen und deren Sorgen da ist. Als Begleiter, den Menschen mit ihren Nöten ansprechen können. Auf der einen Seite die, die Hilfe brauchen und auf der anderen Seite ich; ich der „Kümmerer“.  In vielen Begegnungen habe ich genau das erlebt.
Vor etwa einem Jahr durfte ich diese Sicht erweitern. Michael (geänderter Name) hat mich um ein Gespräch, um Austausch gebeten. Mit klarer Vorstellung, wie das Gespräch verlaufen wird, bin ich ihm begegnet. Nach wenigen Schritten entlang des Rheins teilte mir Michael sein Anliegen mit: „Ich möchte Dich segnen“. Noch heute klingen seine Worte in meinen Ohren

 

„Ich möchte Dich segnen“.

 

Verkehrte Welt, Rollentausch. Plötzlich kommt ein ungewohntes anderes Bild in mir hervor. Ich werde vom Gebenden zum Empfangenden. Wie kann ich helfen dürfen, ohne gleichzeitig auch anzunehmen? Michael hat mich reichlich beschenkt.

Vielleicht ging es der Frau aus Samarien im heutigen Evangelium (Joh 4, 5-42) ähnlich. Sie wurde von der Wasserschöpferin zur Empfängerin von lebendigem Wasser. Ganz unerwartet, mitten im Alltag, jenseits ihrer Rolle und ihres Selbstbildes.

 

Impulse zum Nachdenken:

  • Welche Bilder, welche Rollen trage ich in mir?
  • Gibt es Menschen, die mein Selbstbild aufbrechen und erweitern können,
    kann ich mich darauf einlassen?
  • Was traue ich anderen zu, was können sie an mir tun?

 

Übung / Anregung:

  • Bitte jemanden um den Segen. Vielleicht jemanden, den Du normalerweise nicht bitten würdest. Lass Dich darauf ein, wie sich Eure Bilder verändern.

 

Georg Peters

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