Bogner, Ihr macht uns die Kirche kaputt

Bogner, Daniel, Ihr macht uns die Kirche kaputt … doch wir lassen das nicht zu, Freiburg, Basel, Wien 2019

Bestechend klarsichtig erkennt Daniel Bogner, Professor für Moraltheologie in Fribourg (Schweiz) die derzeitigen Schwächen der katholischen Kirche. Sie bestehe, so kann das Resümee des Buches lauten, hauptsächlich in einem eklatanten Demokratiedefizit, dessen ärgstes Zeichen u. a. darin bestehe, dass Frauen in der Hierarchie der Kirche keinerlei Platz hätten. Damit seien nicht die anerkennenswerten Förderungen von Frauen für Führungspositionen in den Verwaltungen der Bistümer gemeint, sondern die Beteiligung von Frauen am Lehramt der Kirche.

Bogner legt den Finger in die Wunde diverser Defizite der Struktur der katholischen Kirche. Es handele sich dabei um eine echte Verfassungskrise, wenn Teile des Volkes die verfasste Kirche nicht mehr akzeptierten, so Bogner. Frauen dürften nicht in Ämter der Kirche; Kirchenleitungen würden intransparent und völlig undemokratisch, also ohne Legitimation durch diejenigen bestimmt, die sie finanzieren bzw. durch ihre Taufe mitberufen seien, das Schicksal der Sozialgestalt der Kirche mitzubestimmen; „Laien“ würden insgesamt systematisch von wirklichen Leitungsämtern ausgeschlossen. Dies alles akzeptierten immer weniger Christen, weshalb unter anderem jedes Jahr ca. 100.000 Katholiken in Deutschland aus der Kirche austräten. Dies sei ein Aufstand durch Austritt, der aber leider immer noch nicht bewirkt habe, dass die katholische Kirche ihre Mängel behebe.

Aber dies ist nicht das Einzige, was Bogner der Kirche vorwirft. Die Strukturdefizite seien gepaart mit einem eklatanten Versagen in der Verkündigung. Eine Kluft zwischen der inspirierten Gläubigkeit des Kirchenvolkes, im Sprachgebrauch der klerikalen Führungsschicht „Laien“ genannt, und der Glaubensverkündigung eben jener Kleriker, die durch ihre als elitär empfundene zölibatäre Lebensform abgehoben von den Lebensrealitäten der „Laien“ empfunden würde. Unter anderem auch dadurch sei die Verkündigung immer formelhafter geworden, lebensferner und kraftloser – im schlechten Wortsinn zeitlos. Man erkenne die Kleriker als echte Autoritäten in Sachen Gott und Spiritualität nicht mehr an. Die moralischen Verfehlungen einiger unter ihnen tue ihr Übriges, der verharmlosen wollende Umgang damit von einigen aus der Hierarchie ein Weiteres.

Besonders erhellend ist die Analyse, dass der Begriff „Synodalität“ bewusst verschleiernd benutzt würde. Einerseits würde betont, dass die Kirche keine Demokratie sei, weil sie ja gar keine Macht kenne, sondern nur Vollmacht, die aufwärts von den Ortsbischöfen bis hinauf zum Papst allein Kleriker innehätten. Andererseits würde besonders seit der Familien- und Jugendsynode in Rom darauf verwiesen, dass hier doch zur Genüge Synodalität praktiziert worden sei. Oder wie kürzlich ein deutscher Beamter der römischen Kurie in einem Vortrag sagte (bei dem der Autor dieser Rezension zugegen war): Synodalität bestehe in dem Dreischritt: Hören der „Laien“, Unterscheidung durch die Bischöfe, Entscheidung des Papstes. Wer sich jedoch z.B. noch an den stümperhaft zusammengeschusterten „Fragebogen“ im Vorfeld der Familiensynode 2014 erinnert, der dann auch noch weltweit mit einer sehr kurzen Rücksendefrist versehen war, kann nur staunen, wie daraus lediglich ein Hören der „Laien“, auf keinen Fall aber ein Hören auf die „Laien“ geworden ist.

Dieser süffisante Zynismus, der aus solchen Bemerkungen wie des zuvor zitierten Klerikers hindurchtönt, der wie eine Teflon Beschichtung an der Kirche von Rom abzuprallen scheint, falle der Kirche jetzt schon auf die Füße, indem z.B. immer mehr Frauen der Kirche ihre Unterstützung versagen („Maria 2.0“). So die Prognose von Bogner, der mutmaßt, dass die Kirche ihre Verfassung erst dann zu ändern beginne, wenn ihr noch mehr Menschen lautstark die Gefolgschaft verweigerten durch Streiks des Ehrenamtes, Einstellung von Kirchensteuerzahlungen und dergleichen.

Kurzum: ein lesenswertes, erhellendes Buch eines engagierten Christen, gläubigen Mannes und redlich erbosten Wissenschaftlers.

 

Dr. Andreas Heek

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