5. Fastensonntag: Ich lege einen Weg an

 

 

 

 


(Gedanken-)Fasten und neue Synapsenverschaltungen

Der Bibeltext für den 5. Sonntag hält gewaltige Bilder bereit: „ Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde“ (Jesaja 43,18f).

Jesaja prophezeit hier vor 2500 Jahren, dass das Gottesvolk aus der babylonischen Gefangenschaft befreit wird. Und wir, heute? Babylonische Gefangenschaft? Frei werden? Wovon denn wir?

Meine Erfahrung sagt mir, dass unsere Gefangenschaften heute weitaus subtiler aussehen: es sind bestimmte Gedankenmuster, mit denen wir oft schon jahrzehntelang unterwegs sind – und nicht bemerken, was für einen hemmenden Einfluss diese ewig kreisenden Gedanken auf uns und unser Leben haben. Wenn es in mir seit meiner Kindheit z.B. den tief eingepflanzten Gedanken gibt „Das schaffst du ja doch nicht“ – dann darf ich mich nicht wundern, wenn dieser Gedanke sich immer und immer wieder in meinem Leben durchsetzt und ich dagegen nicht ankomme, so sehr ich mich vielleicht auch abmühe. Denn meist wirkt ein solcher Gedanke unbewusst, das heißt, ich weiß gar nicht, dass ich ihn denke und dass er so eine Macht über mich hat.

So setzen wir das Motto dieser Fastenzeit „Mir selbst Freund sein“ in sehr nachhaltiger Weise um, wenn es uns gelingt, unseren eigenen Gedanken, vor allem den negativen, abwertenden, destruktiven, auf die Schliche zu kommen: Meditation, Gedankenfasten also. Mit ihrer Hilfe versuche ich, in der Stille meine eigenen Gedanken zu beleuchten, ein wenig Ordnung in die 30 000 Gedanken zu bekommen, die ich nach zuverlässigen Schätzungen tagtäglich denke – und siehe da: es ist möglich! Es ist möglich, einem, sorgenvollen, negativen, abwertenden Gedanken auf die Spur zu kommen und ihm zu sagen: Hallo, Gedanke, zieh du mal schön weiter, dir will ich jetzt keine Macht über mich geben!

So entstehen – ganz allmählich – innere Freiräume.

So bahnt sich – sehr allmählich – ein Weg in der alltäglichen Wüste.

So fließen – es dauert, aber es ist möglich – allmählich Wasserströme in der Einöde.

Das ist eine wunder-bare Erfahrung! Eine un-glaubliche Erfahrung, die uns dabei wesentlich hilft, mitten im Alltag einen neuen Weg anzulegen, indem wir zu neuen, bisher unge(b)ahnten Synapsenverschaltungen kommen und schlicht Platz schaffen für Neues, bisher so nicht Gedachtes.


Martin Luther sagte es seinerzeit so: Du kannst nicht verhindern, dass die Vögel der Sorge um dein Haupt fliegen, aber du kannst verhindern, dass sie Nester in deinem Haar bauen.

Und der Franziskanerpater Richard Rohr sagt es heute so: Verweigere die Identifikation mit negativen, feindseligen, anklagenden Gedanken (du kannst nicht verhindern, dass du solche Gedanken „hast“).

Übung:

Und so kannst du es mit Anfängergeist immer wieder versuchen:

Such dir einen stillen Ort, setz dich hin, lenk deine Wahrnehmung auf deinem Atem und versuch, bei ihm zu bleiben. Mit der Zeit wirst du es bemerken, wenn du irgendwelche Gedanken hast, egal welche. Und das Bemerken ist das Entscheidende: Du lässt den Gedanken freundlich weiterziehen und kehrst zu deinem Atem zurück. Das zu üben – mit Neugierde – ist zunächst das Entscheidende beim Gedankenfasten/beim Meditieren. So beginnt womöglich ein neuer Lebens-Weg.

Bibeltext: Jesaja 43,16-21

Bernd Schlüter, Hamburg


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