3. Fastensonntag: Heiliger Boden

 

 

Heiliger Boden

 

Vor einer alten Wallfahrtskirche las ich auf einem verrotteten Schild den Hinweis: „Aufgrund der Heiligkeit des Ortes ist es verboten, auf den Boden zu spucken!“ Ich musste schmunzeln, klang diese Aufforderung in meinen Ohren doch allzu kurios. Aber dann dachte ich mir: So eigenartig dieser Satz klingen mag, so sehr verweist er doch auf etwas sehr Elementares. Der Mensch braucht heilige Orte. Orte, die sich vom Normalen abheben. Die das tägliche Einerlei unterbrechen und aufbrechen.

 

Nicht erst seit Hape Kerkelings Bestseller „Ich bin dann mal weg“ machen Menschen sich auf den Weg zu heiligen Stätten. Die Menschen aller Zeiten und Generationen hatten Orte zum Innehalten und Abschalten. Schon in der Bibel spielen solche Orte eine besondere Rolle. Auf Bergen finden Propheten eine besondere Nähe zu Gott. An Quellen finden Heilungen statt. Und die Wüste ist sowohl für das Volk Israel wie auch für Jesus ein Ort der Prüfung und Reifung.


Auch die alttestamentliche Lesung des Dritten Fastensonntags berichtet vom „heiligen Boden“: „Eines Tages erschien Mose der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht. Als der Herr sah, dass Mose näher kam, rief Gott ihm aus dem Dornbusch zu: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Ich bin der ‚Ich-bin-da‘. Das ist mein Name für immer, und so wird man mich nennen in allen Generationen.“ (Ex 3,1 ff.)

Ich selber lebe auch an einem Ort, der für viele Menschen „heiliger Boden“ ist. Der stille Innenhof der Liebfrauenkirche, mitten in der Frankfurter City, ist im Lauffe der Jahrhunderte zu einem solchen Ort geworden. Aus der Hektik des Großstadtbetriebs kommen zahlreiche Menschen von morgens bis abends hierher, um einen Augenblick der Stille oder des Gebets zu genießen. Vor der schlichten Muttergottes-Statue werden täglich mehr als 1.800 Kerzen angezündet – und das von Menschen unterschiedlichster Religionen und Weltanschauungen. Ich selber bin immer wieder darüber fasziniert, wie sehr gerade der postmoderne Mensch mitten in der säkularen Welt heilige Orte braucht. Aber eigentlich muss einen das nicht einmal verwundern. Unsere Generation ist nicht weniger als alle Generationen mit der Frage konfrontiert: Was ist der tiefere Sinn meiner Existenz? Wie gehe ich mit den Brüchen in meinem Leben um? Gibt es etwas, das mich jenseits des Hier und Jetzt trägt und hält? Habe ich Orte, Zeiten und Riten, die mein alltägliches Leben durchbrechen? Müsste ich mir vielleicht solche Orte und Zeiten einrichten, um zu erfahren: Gott ist da – ER ist der „Ich bin da“?

Ein paar Anregungen, die mir helfen können, heiligen Boden unter die Füße zu bekommen:

Eine Stunde lang spazieren gehen und bewusst die Schönheit der Schöpfung wahrnehmen.

Den abendlichen Sternenhimmel betrachten und dabei den Psalm 8 meditieren: „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“

15 Minuten in einer Kirche oder Kapelle sitzen und auf die Stille hören (wenn Sie in Frankfurt wohnen, können Sie natürlich auch in Liebfrauen reinschauen).

Den Tag mit dem Gebet der liebenden Aufmerksamkeit abschließen (das Gebet ist beigefügt).

 

Autor: Br. Christophorus Goedereis OFMCap


Biblischer Text: Exodus 3,1 ff.

 

„Gebet der liebenden Aufmerksamkeit“ am Ende des Tages

1. Sich bewusst machen: Gott ist gegenwärtig; er schaut mich und meinen Tag liebevoll an, und lädt mich ein, das Gleiche zu tun.

2. Rückblickend den Tag ansehen: Liebevoll und aufmerksam alle Gedanken und Gefühle zulassen, ohne zu bewerten oder zu verurteilen.

3. Gott danken: Für das, was geschenkt wurde und gut getan hat; auch für scheinbar Selbstverständliches.

4. Sich Versöhnen: Ungeordnetes, Unfertiges, Unversöhntes und Konfliktbeladenes Gott hinhalten, damit er es wandeln und ordnen kann.

5. Vorausschauen: Auf das, was mich morgen erwartet – die Begegnungen und Aufgaben des nächsten Tages.

6. Abschließen: Mit dem Kreuzzeichen oder dem Vater Unser.

 


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