Rohr, Vom wilden Mann zum weisen Mann.

Richard Rohr, Vom wilden Mann zum weisen Mann. Claudius, München 2006. ISBN 3-532-62334-X. 213 Seiten, € 14,80.

 

1986 erschien im Claudius-Verlag ein Buch des amerikanischen Franziskaners Richard Rohr, das den provozierenden Titel trug: „Der Wilde Mann. Geistliche Reden zur Männerbefreiung“. Es wurde zu einem der einflussreichsten, erfolgreichsten und damit zugleich auch umstrittensten Männerbücher der späten 80er und der 90er Jahre, erlebte zahlreiche Auflagen und machte seinen Autor gerade auch in Deutschland zu einem gefragten Redner und Lehrmeister in Sachen Männerspiritualität. Zwanzig Jahre später legt nun sein deutscher Verlag eine erweiterte und überarbeitete Neuausgabe des Klassikers vor, die sich zunächst vom Handling dadurch auszeichnet, dass die einzelnen Kapitel kürzer und damit auch geeigneter für den Einsatz etwa in Männergruppen geworden sind. Das entspricht ausdrücklich auch der Absicht des Autors (S. 8).

Ansonsten finden sich in dieser Neuausgabe erwartungsgemäß die Ingredienzien, die alle Männerbücher von Richard Rohr kennzeichnen und seine Bewunderer wie Kritiker immer wieder von neuem auf den Plan rufen: Die lebensnahe, zupackende Sprache zum Beispiel oder die selbstverständliche Rede über das, was „männlich“ ist, die Rohr mit persönlichen Erfahrungen und unter Verzicht auf eine empirische Untermauerung begründet. Das kreative Wiederlesen und originelle Neubuchstabieren spirituellen Gedankengutes aus der Bibel, der christlichen Spiritualitätsgeschichte und natürlich der franziskanischen Spiritualität ist zu nennen. Sein mythopoetischer Ansatz unter Rückgriff auf Jungs Archetypenlehre findet sich wieder – und selbstverständlich auch seine eingestreute Gesellschafts- und Kirchenkritik. Nichts Neues also? Auf der einen Seite muss man dies mit einem klaren Ja beantworten. Es entsteht sogar der Eindruck, dass sich mit dieser Neuausgabe ein Kreis schließt, vielleicht im Sinne des Autors bewusst schließen soll. Mit dem „Wilden Mann“ hat Rohr vor zwanzig Jahren begonnen. Und beim „Wilden Mann“ ist er nun wieder angekommen. Und ist doch auf der anderen Seite nicht dabei stehen geblieben. Der Titel der Neuausgabe „Vom wilden Mann zum weisen Mann“ gibt den entscheidenden Hinweis. Rohr nimmt seine Leser in gewisser Weise auch auf eine zwanzigjährige persönliche Reise mit. War es damals für den Vierzigjährigen vor allen Dingen der „wilde Mann“, den er für seine Geschlechts- und auch Altersgenossen erschließen wollte, so benennt der nun Sechzigjährige mit einer gewissen Wehmut und Trauer, wie notwendig Gesellschaft und Kirche dazu den alten „weisen Mann“ brauchen. Denn das ist dann für Rohr der Kreis, der sich schließt: „Überflüssig zu betonen, dass unsere … Gesellschaft nur wenige Groß-Väter hervorbringt. Dazu wäre es ja nötig, dass ein weiser Mann einen wilden Mann schafft, um aus ihm wiederum einen weisen Mann zu machen. Manchmal kommt es mir so vor, als warteten wir auf einen globalen spirituellen Funken. Aber nachdem Gott demütig und geduldig genug ist, um zu warten und es immer wieder zu versuchen, meine ich, das könnten wir auch“ (S. 206f).

Was bleibt also als Fazit? Ein Buch – so mein Eindruck – vor allen Dingen für diejenigen, denen der „Wilde Mann“ der 80er Jahre ein wichtiger Wegbegleiter gewesen ist und denen Rohr nun seine ganz persönliche Neufassung anbietet.

 

Andreas Ruffing

 

 

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