Jungnitz u. a. (Htsg.), Gewalt gegen Männer.

Ludger Jungnitz u. a. (Hg.), Gewalt gegen Männer. Personale Gewaltwiderfahrnisse von Männern in Deutschland. Verlag Barbara Budrich, Opladen – Farmington Hills 2007. ISBN 978-3-86649-009-3. 307 Seiten, € 28,00.

 

Gewalt gegen Männer spielt in der öffentlichen Diskussion so gut wie keine Rolle. Da wird vor allem über Männer als Täter gesprochen. Und auch in der Männerarbeit selber ist das Thema zwar „da“, wie damit allerdings in der Praxis umzugehen ist, ist und bleibt eine schwierige Frage. Ein Grund dafür dürfte sicherlich sein, dass bei diesem Thema Geschlechterklischees (Männer sind Täter, Frauen sind Opfer) besonders hartnäckig sind. Was auch dazu geführt hat, dass wir über wenig gesicherte Erkenntnisse über Ausmaß und Formen der Gewalt gegen Männer verfügen, weil entsprechende Studien (ganz im Unterschied zum Thema Gewalt gegen Frauen) fehlten. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass das Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend eine (nicht repräsentative) Pilotstudie in Auftrag gegeben hat, um etwas mehr Licht in das Dunkel zu bekommen und ein Instrumentarium für eine repräsentative Studie zu erstellen. Die Ergebnisse der Pilotstudie und die sich anschließende Diskussion der damit beauftragten Forschergruppe sind in dem vorliegenden Band dokumentiert. Was bringt nun dieses Buch an Erkenntnissen und Herausforderungen für die Männerarbeit?

Zunächst einmal eine hilfreiche Übersicht mit konkreten Fallbeispielen über all die Orte, in denen Männer und Jungen Opfer von Gewalt werden (können). Zugleich damit die erschreckende Erkenntnis, dass es im Grunde keinen Lebensbereich gibt, in dem Männer und Jungen nicht Gewalt ausgesetzt sein können. Und auch wenn (noch) keine repräsentativen Zahlen vorliegen, heißt das für die kirchliche Männerarbeit: In allen Angeboten müssen Männerarbeiter jederzeit damit rechnen, auf Männer zu treffen, die in ihrem Leben Gewalt erfahren haben. Haben wir schon genügend realisiert, dass Männerpastoral in diesem Sinne auch vielfach Opferpastoral sein muss? Und was heißt das dann ganz konkret für die Arbeit?

Zum zweiten ist das Buch eine Bestätigung der Vermutung, dass Gewalt an Männern vielfach verschwiegen wird. Nicht nur im gesellschaftlichen, im kirchlichen Diskurs über Gewalt. Auch die Betroffenen selber schweigen oft: aus Scham, nicht ernst genommen zu werden, nicht als „richtiger“ Mann zu gelten. Zudem – so die Vermutung des Forscherteams – fehlen vielfach männerspezifische Hilfsangebote in der Opferberatung wie in der Jugendhilfe, die bislang zu sehr auf Mädchen und Frauen als Gewaltopfer zugeschnitten sind. Dies wiederum führt dazu, dass Männer bestehende Hilfsangebote in der Opferberatung meiden. So entsteht schnell ein Teufelskreis.

Und schließlich bringt das Buch die Erkenntnis, dass es verstärkter Anstrengungen bedarf, um das Schweigen über Männer als Opfer von Gewalt zu durchbrechen. Eine fundierte wissenschaftliche Forschung, wie sie hoffentlich nun durch die vorliegende Pilotstudie angestoßen wird, ist die eine Seite. Die andere Seite ist, das Thema als drängende Aufgabe und Herausforderung in Gesellschaft und Kirche öffentlich wachzuhalten. Wer, wenn nicht die kirchliche Männerarbeit, hat hier von ihrem Selbstverständnis her eine besondere Verantwortung!

So gesehen, gehört das vorliegende Buch eigentlich zur Pflichtlektüre aller, die in der kirchlichen Männerarbeit tätig sind.

 

Andreas Ruffing

 

 

 

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